Voll Im Wind
Das kleine rote Fähnchen
Seit Tagen warte ich darauf, dass das rote Windfähnchen aus meiner Wetter-App verschwindet. Jetzt ist es weg. Das Problem ist nur, dass es nicht wirklich weg ist, es ist nur schwarz geworden. Die Böen sind also nur stark, nicht sehr stark. Ob das an einem Sonntagmorgen um neun Uhr ein Trost ist, kann ich noch nicht ganz einschätzen. Dazu und Regen und eine Temperatur, die als Zahl gerade noch so zweistellig ist. Kann man sich also auch nicht viel drauf einbilden. Zum Radfahren die Regenjacke anzuziehen oder nur mitzunehmen, ist etwas, das meinen natürlichen Instinkten widerspricht. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Kollegen am Freitag. Ein Mitarbeiter der Redaktion von wetter.de stellte gerade den Sieben-Tage-Trend fertig. "Nächste Woche kannst Du wieder Rad fahren", sagte er. "Hm, ich fahr am Sonntag", meinte ich. Darauf er: "Sonntag wird der beschissenste Tag." So beschissen sollte es dann gar nicht werden. Im Moment sieht es aber noch so aus.

Zum Profishop Kunde schaff ich es aber schon mal, ohne nass zu werden. Eine positive Prognose fällt wegen des schweren Graus am Himmel aber immer noch schwer. Pierre hält mir Daumen und Zeigefinger entgegen: "Ich hab ja sooo viel Bock" – zwischen den beiden Fingern ist kein besonders großer Abstand. Mir geht es ähnlich. Und auch wenn vorm Geschäft in der Aachener Straße kaum ein Lüftchen geht – es ist sehr windig. Der Wind kommt von Westen, es geht nach Westen raus. Die simple Feststellung lautet: Das finde ich nicht gut. Versuchen wir diesem Punkt also mal etwas Positives abzugewinnen. Es ist Training – und Gegenwind, auch starker, ist schon etwas, mit dem öfter mal konfrontiert ist. Außerdem: nach Westen raus ist doof, aber von Westen zurück – genau. Solang der Wind nicht dreht. Ähnlich dieser einen bekannten Regenwolke, die immer da ist, wo man gerade fährt. Die hat aber, wie sich bald raus stellt, wohl etwas besseres vor als uns zu behelligen. Niemand ist ihr böse.
Auf der Suche nach Windschatten
Bleibt der Wind, und damit ist eine der Aufgaben für die heutige Ausfahrt unabänderlich von außen vorgegeben. Die anderen sind bekannt – oder sollten es jedenfalls sein: Puls im GA1-Bereich, Trittfrequenz 80+, großes Kettenblatt aus.
Und so schlängeln sich zwei Gruppen in Richtung Westen, da sich die Ristrettos durch Krankheit so sehr reduziert haben, dass sich eine eigene Gruppe nicht lohnt. Die Zweier-Reihe ist immer noch kein Selbstläufer, aber der Wind eilt ihr heute zu Hilfe. Wie Peter vor dem Losfahren bemerkte: Windschatten ausnutzen. Wenn man 45 km/h fährt, merkt man den Windschatten eher als bei 20 km/h – da aber der Wind uns teilweise mit 45 km/h entgegenkommt, reicht es, wenn man 20 fährt. Sobald wir aus der Stadt raus sind unterwirft sich Zweierreihe der Naturgewalt des Windes. Und da funktioniert gleich viel besser, auf der Suche nach etwas Windschatten schließen sich die Lücken, als hätte Peter es geplant.
Tempo, Trittfrequenz, Herzfrequenz - was denn nun?

Was er hingegen geplant hat, ist einmal mehr, den im Weg rumliegenden Hügel im kleinsten Gang hochfahren zu lassen. Am Anfang ist er etwas steil, am Ende auch, zwischendurch recht flach. Die Ansage gilt jedoch für Anfang BIS Ende. Und plötzlich merken alle: Auf der Suche nach Tempo funktioniert plötzlich auch die hohe Trittfrequenz. Auf die Idee, das Tempo rauszunehmen kommt niemand, auch ich nicht, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Ich bin einer dieser notorischen Langsam-Treter. Ich habe mittlerweile wieder einen Trittfrequenzmesser, die erste Ausfahrt mit ihm war ernüchternd: 75. Und ich hatte mir sogar Mühe gegeben. Und deswegen dachte ich, guck mal, tolle Gelegenheit, eine hohe Trittfrequenz anzuschlagen. Die Folge: Die Herzfrequenz steigt ebenfalls, ich komme an die Grenze zum GA2-Bereich. Ich denke allerdings, ich war nicht der Einzige. Oben erklärt Peter den kleinen Trick. Die Ausreden für eine zu niedrige Trittfrequenz sind damit beerdigt. Außer eine: Ich bin zu alt und unflexibel. Aber wer möchte das von sich behaupten, außer um ein paar Sekunden lang Renitenz zu proben.
Endlich die Belohnung: Rückenwind
Auf der Mitte der Strecke geht es plötzlich links von der Hauptstraße ab. Durch das Feld geht ein Raunen, weil der Wind sich nicht gedreht hat und uns ab jetzt nach Hause bläst. Das Raunen ist umso auffälliger und für jeden deutlich hörbar, weil ohne Gegenwind, bzw. Seitenwind der Geräuschpegel in den Ohren deutlich sinkt, ebenso die Herzfrequenz, und bei manchem natürlich auch die Trittfrequenz. Wir nähern uns dem Ende einer lehrreichen Ausfahrt. Peter persönlich sorgt für die Zugabe – ein platter Hinterreifen, kein wirkliches Problem für ihn. So mancher dabeistehende wird sich gedacht haben, gut, dass es mich nicht erwischt hat. Einen Schlauch wechseln zu müssen, und das während der Ausfahrt, mag für den einen oder anderen ein unangenehmer Gedanke sein. Das ist wie alles eine Frage der Übung. Und es wird geübt werden: Am kommenden Samstag und am 18.11. beim Materialworkshop.
Was bleibt mir sonst noch zu sagen, außer: Ich freu mich auf das nächste Mal.