Drei Berge auf Nachtschicht
Drinnen spinnen: Fast vier Jahre her seit dem letzten Mal
Über das Problem mit dem Winter hab ich mich ja vor ein paar Wochen schon mal ausgelassen. Mittlerweile haben die 'Von0auf60'-Spinning-Einheiten begonnen, also warum nicht die Gelegenheit wahrnehmen, dem November-Blues mit etwas Aktivität trotzen? Also Sachen packen – und vor allem den Pulsmesser nicht vergessen, sonst droht eine Gedichtrezitation beim Weihnachtsessen im Krewelshof – und ab zum FitnessFirststudio in Ehrenfeld. Schließlich hat der kalte Novemberregen seit Sonntag gefühlt nicht nachgelassen. Es ist immerhin fast vier Jahre her seit ich das letzte Mal das Vergnügen einer Spinningeinheit mit Peter hatte.

Das Problem: Zu viel Schweiß, zu wenig Brian-Setzer-Weihnachtskonzert-DVDs

An dieser Stelle ist mir wichtig zu betonen, dass das nicht an den Spinningeinheiten liegt, sondern eher an meiner extrem ausgeprägten Fähigkeit zum Flüssigkeitsaustausch unter körperlicher Anstrengung in geschlossenen Räumen – ich schaffe es in einer Stunde locker, drei Handtücher und drei Trikots in einen komplett neuen Aggregatszustand zu versetzen. Deswegen spinn ich eigentlich lieber zuhause, aber das kann auf Dauer langweilig werden, da ich leider nur eine begrenzte Anzahl an Bruce-Springsteen- und AC/DC-DVDs besitze. Und es auch nur eine Weihnachts-DVD vom Brian Setzer Orchestra gibt. Das ist die Musik, zu der ich am besten indoorcyclen kann. Spätestens allerdings wenn Herr Spingsteen 'Meet Me Out In The Streets' singt, wird einem das Dilemma des Drinnenbleibens wieder schmerzlich bewusst.
Zerstreuung beim gemeinschaftlichen Quälen
Also suche ich Zerstreuung im Quälen mit der Gruppe, geteiltes Leid ist doppeltes Glück oder so ähnlich. Man spinnt sich in der Cycling-Hall gemütlich warm, um mit vereinter Kraft eine Stunde lang, von 20:15 Uhr bis 21:15 Uhr, nicht von der Stelle zu kommen. Wenigstens mit Musik. Ich weiß es nicht genau, aber ich nehme an, Springsteen ist draußen auf der Straße, Axl Rose verliert möglicherweise im Novemberregen gerade die Geduld mit Slash, AC/DC sind wahrscheinlich immer noch vom Donner geschlagen Richtung Hölle unterwegs, hier jedenfalls sind die Commodores auf Nachtschicht. Wir auch, und wenn man geradeaus schaut, sieht man sich selbst dabei in der Spiegelwand leiden, oder den Entertrainer Peter, der uns mit den Worten begrüßt: "Heute wird es für euch richtig schön anstrengend – und ich freu mich drauf!" Ich hatte so etwas befürchtet, vor vier Jahren war das nicht viel anders.
Schön den Puls hochtreiben
Los geht's, Trittfrequenz erhöhen, aufstehen, Oberkörper einfrieren, sich seiner Oberschenkel bewusst werden, einmal, zweimal, setzen, ruhig machen, Schluck trinken. "Genießt die kurze Pause", hör ich von vorne. Kurze Wiederholung und ab geht es, den ersten von drei virtuellen Bergen hoch, elf Minuten soll es bis oben dauern – Widerstand reindrehen, Trittfrequenz senken und rein in den GA2-Bereich. Die meisten scheinen sich dran zu halten, die letzten Gespräche verstummen. Das Fenster steht sperrangelweit offen, davon ist nichts zu merken. Ich schau auf meinen Tacho, wir haben es geschafft, die Raumtemperatur in 20 Minuten um fast 1,5 Grad anzuheben. So wie ich mal wieder schwitze, denke ich, dass ein erheblicher Teil dieser Leistung auf das Konto meiner Beine geht.

Die virtuelle Aussicht? Geht so
Und so geht es weiter. Oben auf dem virtuellen Berg kurz die virtuelle Aussicht genießen, "Oberhalb der Baumgrenze". Ich betrachte mit Sorge die Pfütze, die sich unter meinem Spinning-Bike bildet, es ist erst viertel vor Neun. Aber die Stimmung ist allgemein gut. Es scheint, als hätte nicht nur Peter Spaß an unserer Anstrengung. Mit den nächsten zwei 'Bergen' und 'Abfahrten' vergeht die Zeit wie im Fluge. Könnte ich noch eine Stunde so weiter machen? Mit einem frischen Outfit und weiteren Handtüchern wahrscheinlich schon. Trotzdem – in der Umkleide merke ich, dass ich die letzten 60 Minuten was getan habe. Peter fragt, ob's denn Spaß gemacht hat. Klar. Und ich denke, ich werde diesen Winter noch das ein oder andere Mal mitspinnen. Und dann vielleicht ein Saunahandtuch mitbringen müssen…