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Tobis Radblog: Wintertraining "Von 0 auf 60" Saison 2017/18, achte Ausfahrt, 26. November 2017

"The race is won by the rider who can suffer the most" (Eddy Merckx)

Immer wieder sonntags

Knapp zwei Monate sind bislang vergangen seit das Projekt 2017/18 begonnen hat, knapp fünf liegen noch vor uns. Deswegen wäre es vielleicht verfrüht, ein erstes Fazit zu ziehen. Und so sitze ich hier, und bin erstmals ein wenig ratlos, was ich denn schreiben soll, ohne allzu viel aus den letzten Blogs zu wiederholen. Schließlich machen wir ja auch jeden Sonntag das Gleiche…

 

Die Gruppen sind jedoch diesmal etwas dezimiert. Martin, der Ristretto-Guide, fällt aus, die Gruppenmitglieder müssen sich etwas zügeln und bei der zweiten Espresso-Gruppe um Jürgen K. mitfahren. Peters Espresso-Gruppe hat überschaubare acht Mitfahrer, und die lieben Cappucchinos machen sich daran, dass umzusetzen, was sie beim Kuscheltraining letzte Woche gelernt haben. 

Vertiefung des bisher Gelernten

Es geht um dieselben Dinge wie immer, aber diese Ausfahrt ist so eine Art Vertiefung oder Detailstudie dieser Sachen: GA1, Trittfrequenz, Führungswechsel, Koordination, Fettverbrennung. Die Distanz ist die bisher längste, die Temperatur die bisher niedrigste, und auch der Wind pfeift ordentlich aus Westen. Also im Grunde verschärfte Bedingungen, denn die Anstrengung steigt sowohl mit der Länge als auch mit der Temperatur, denn der Körper muss zunächst erstmal mehr arbeiten als im Sommer (oder auf der Couch unter der Decke), um sich auf Temperatur zu halten, die Leistung das Fahrrad durch die Dörfer zu lenken kommt oben drauf. Immerhin: Der Regen bleibt uns erspart – obwohl meine App etwas anderes sagt. Und ich für meinen Teil werde lernen, warum das so ist.

Zu Wind und Kälte kommt heute erstmals die vor einigen Wochen schon einmal angekündigte Allrather Kippe. Offiziell heiße sie etwas eleganter Vollrather Höhe. In beiden Namen steckt etwas Wahres. Sie ist erst einmal geologisch betrachtet sehr, sehr, sehr, sehr neu (1955-68) und es handelt sich um aufgekippten Abraum und es geht voll nach oben. Es ist ein also ein Berg (oder eher Hügel, im Radler-Jargon auch anti-euphemistisch 'Verkehrsberuhigung' genannt), den ein Energieriese mitten im Flachland kurz vor Grevenbroich geparkt hat. Berge wiederum, so drückte es Ex-Telekom-Profi Rolf Aldag mal aus, sind der natürliche Feind des Radfahrers, auch wenn er dabei eher die Alpen im Sinn hatte als Abraumhalden im Rhein-Kreis Neuss. Die Allrather Kippe ist folglich das Phänomen eines künstlich geschaffenen natürlichen Feindes des Radfahrers, dessen höchster Punkt bei 187 Metern über Normal Null liegt.

Ein Berg namens "Allrather Kippe"

Das Ding hat sogar einen eigenen Wikipedia-Artikel, darin heißt es: "Zu erreichen ist das Plateau über Anliegerstraßen von den Ortsteilen Neuenhausen, Allrath und Frimmersdorf. Wanderer, aber besonders auch Radfahrer nutzen die Auffahrt als Trainingsmöglichkeit in der sonst eher flachen Umgebung." Danke RWE, was würden wir ohne die Allrather Kippe tun? Wie würden einen anderen Ort finden.) Diesmal war beim 'Klettern' sogar mehr als nur der leichteste Gang freigegeben, gute Möglichkeit zu schauen, was der GA1-Bereich so hergibt.

 

Wieder unten führt der Weg bald am Kraftwerk vorbei. Dichte Wolken steigen aus den Schornsteinen auf, der Wind ist so stark, dass sie direkt am Rande des Schornsteins abgeknickt werden und Richtung Nordwesten treiben. Und das ist der Grund, warum in meiner App der nicht vorhandene Regen auftauchte. Der Wasserdampf, der vom Kraftwerk in den Himmel geblasen wird, verdrängt die auf Köln zusteuernden Wolken etwas nach Nordwesten, so dass der Regen eher im Bergischen runterkommt, erklärt mir Peter. Ein Kollege vom Portal 'Wetter.de' bestätigt das. Und noch mehr: Selbst wenn auf dem Regenradar eine fette Front Richtung ausgewählter Fahrradstrecke unterwegs ist, muss es nicht regnen. Das Wetterradar kann nicht unterscheiden zwischen fallendem Regen und einer hohen Luftfeuchtigkeit. Hinzu kommt, dass die Daten ALLER Wetterportale auf den Messdaten der Wetterstation am Flughafen Köln/Bonn beruhen – also ziemlich weit weg vom Stadtzentrum und noch weiter weg von Garzweiler, dessen Emissionen das Regenradar auch schon mal zu falschen Angaben verführt. Da hab ich dann doch Mal wieder was gelernt.

Die Allrather Kippe befindet sich ungefähr auf der Mitte der Strecke. Mit hauptsächlich Rückenwind geht es nach Hause. Die Kippe ist aber auch der Wendepunkt in Sachen GA1, Trittfrequenz, Führungswechsel, Koordination, Fettverbrennung. Es wird trotz des Rückenwindes nicht unbedingt leichter, die Erschöpfung wird größer – aber niemand, der nicht wirklich muss, greift in die Trikottasche nach einem Gel oder einem Riegel. Der Zuckermangel zeigt seine Wirkung, das Gehirn reagiert nur noch auf das nötigste. Wie so oft: Am Anfang der Tour wurde noch munter geplaudert, auf den letzten Kilometern ist es eher ruhig, Handzeichen werden nur noch sporadisch gegeben, die Zweierreihe ist für Außenstehende nur noch in Ansätzen zu erkennen. Aber es ist eine stete Entwicklung sichtbar, und wie eingangs geschrieben: Zwei Monate liegen hinter uns, fünf noch vor uns. Diesen kann man positiv entgegen sehen. Und auch mein Cappucchino Whistleblower Pierre konnte berichten, dass sich das Kuscheltraining bezahlt gemacht hat. So kann es dann weiter gehen!