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Tobis Radblog: Wintertraining "Von 0 auf 60" Saison 2017/18, 14. Januar 2018 - auf ins Bergische Land

The Tough Get Going When The Going Gets Tough

Ein sogenannter Auftakt nach Maß

Diese Cappucchino-Gruppe ist tough. Das muss am Anfang dieses Blogs mal festgehalten werden. Und bei unserer ersten richtigen Ausfahrt im Bergischen Land hatte ich das Vergnügen, Zeuge dieser Toughness zu werden. 'Von 0 auf 60' nimmt also die ersten richtigen Höhenmeter in Angriff und das Setting war perfekt. Super Bedingungen, die Strecke noch nicht das Schwerste, was das Bergische zu bieten hat, aber einen sehr guten, nachhaltigen Vorgeschmack auf das hat, was die Gruppe in den nächsten Wochen erwartet. Es gab alles, was den Radsport ausmacht. Und so wird es mir eine Freude sein, alles noch einmal Revue passieren zu lassen, während ich mir ein, zwei Kaffee schmecken lassen und der Tastenartistik von Count Basie lausche.

Rennrad Wintertraining
Treffpunkt: Kurz vor halb zehn in Bensberg

Ich liebe die Ausfahrten mit 'Von 0 auf 60' im Bergischen, aber sie stellen mich seit jeher vor eine große Herausforderung. Ich sehe ohne Frage den Sinn darin, früh loszufahren, finde es auch erstrebenswert – mache es aber nicht, wenn ich allein fahre. Ich habe es mir aufgrund der Narkolepsie angewöhnt, vor einer Tour alles ruhig angehen zu lassen, mir Zeit zu lassen, vielleicht nochmal ein Nickerchen zu halten, um möglichst entspannt aufs Rad zu steigen. Das ist schwierig, wenn es um 9.30 Uhr losgeht, vor allem, wenn ich erst noch von Sülz nach Bensberg rausfahren muss. Früher bin ich mit der Bahn gefahren, um noch etwas Ruhe zu haben. Mittlerweile habe ich festgestellt, ich komme besser rein, wenn ich von Sülz direkt mit dem Rad fahre. Das wiederum bedeutet, um spätestens 8.30 Uhr loszufahren. Alles ruhig angehen lassen, Frühstücken und ein Nickerchen hieße um fünf aufzustehen. Das allerdings kann es auch nicht sein. Luxusprobleme, zugegeben, dennoch schwierig für jemanden, der seine Rituale braucht.

Aufbruch in der Dämmerung

Genug gejammert, einen Tod muss man bekanntlich sterben. Also gibt es einen Kaffee, eine Brühe, zwei Esslöffel Müsli und um 8.22 Uhr sitze ich auf dem Rad. Und etwas fällt mir dabei jedes Mal wieder auf: Ich freu mich. Es läuft gut, ich muss mich bremsen, um nicht zu früh anzukommen und dann auszukühlen, bevor es richtig los geht. Ich hoffe – zu recht, wie sich raustellen wird – dass das ein gutes Vorzeichen für die Ausfahrt ist.

 

Als ich losgefahren bin, dämmerte es noch, als ich am Treffpunkt in Bensberg ankommen, schickt sich die Sonne an, das Kommando über den Vormittag zu übernehmen. Unglaublich viele sind da, wollen sich diese Tour nicht entgehen lassen. Wir haben sogar einen Gast: Alexander Haas, Guide und Teammitglied bis zu seinem Umzug nach Minden. Selbst ohne seinen zeitfressenden Job im Familienbetrieb, wäre der Weg Sonntagsmorgens etwas weit. Umso schöner, dass er es geschafft hat, überhaupt schön, dass wir so viele sind.

Das Herzogtum Berg

Die Ristretto-Gruppe ist bis auf ihre Guides ziemlich ausgedünnt, also beschließt Peter nach der einst traditionellen Art zu fahren – nur zwei Gruppen, Cappucchino und Espresso. Große Gruppen, aber weil Alex da ist, stehen auch insgesamt sechs Guides zur Verfügung. Ich will wissen, wie sich diejenigen schlagen, für die das Bergische Land nicht nur bergig ist, sondern auch Neuland, deswegen schließe ich mich der Cappucchino-Gruppe um Jürgen, Inge und Alex an.

An dieser Stelle ein kurzer Exkurs. Das Bergische Land heißt nicht Bergisch, weil es bergig ist und das 'g' am Ende des Wortes durch die eigenartige Sprachform des Kölschen mit der Zeit zu einem 'sch' wurde, sondern weil es aus dem Herzogtum Berg hervorgegangen ist. Das wiederum heißt im Lateinischen auch 'Ducatus Montensis'. Und um hier mal kurz klugzuscheißen: mons, -tis (maskulinum) heißt auf Deutsch Berg, weswegen ich mal die steile These formuliere, dass die geografische Beschaffenheit möglicherweise doch Einfluss auf die Namensgebung hatte.

 

Ist aber auch egal, im Bergischen hat's Berge, warum auch immer. Der gestandene Bergprofi wird jetzt sagen, das sind keine Berge, das sind Hügel. Aber auch das ist Wortklauberei. Es geht halt bergauf, nicht so lang wie in den Alpen, aber lang genug und im Zweifelsfall auch mal mit 20 Prozent. Und es ist auch nicht das Ergebnis der Jagd nach Bodenschätzen, so wie die Allrather Kippe, sondern natürlich und deshalb auch schöner. 

Erster längerer Anstieg

Rennrad Wintertraining
Der erste längere Anstieg ist geschafft: Kurze Verschnaufpause

Die Strecke ist sorgsam gewählt, die einzige Nennenswerte längere Steigung, so kündigt Peter vorm Losfahren an, beginnt nach ca. 25 Kilometern und ist knapp sechs Kilometer lang. Der Weg dorthin gestaltet sich schnell und locker, doch mit mit jedem Kilometer macht sich bei dem einen oder anderen Nervosität breit. Wie schlag ich mich? Schaff ich das? Was, wenn ich es nicht schaffe? Fragen, die ich heute mit einer Handbewegung wegwische, die ich mir vor einigen Jahren aber durchaus selbst gestellt habe. Und für die ich einen Notfallplan hatte, auch jemand aus der Gruppe offenbart mir gegenüber solche Notfallpläne. Ich kann es verstehen. Und dann nach etwa 20 Kilometern, der große Schreckmoment. Auf der eher mäßig gut asphaltierten Straße zwischen Rösrath und Altenrath springt Anne plötzlich das Vorderrad weg, und sie knallt voll auf die Schulter. Zum Glück ist Arzt Heri mit in der Gruppe, kümmert sich. Anne bleibt zunächst noch einen Moment liegen, hat aber schon bald ihren Humor wiedergefunden und ruft eine Pinkelpause aus. Erleichterung bei allen Beteiligten. Und kurz danach sitzt sie wieder auf dem Rad und wird – flankiert von Inge, den gleich anstehenden Berg, die Jarbachtalstraße hinauf gebremst, aber mit Bravour bewältigen. Chapeau, Respekt, toll gemacht! Vorne in sind es die beiden 'Neuen' Helmut und Christopher, die die Gruppe den Berg hinauf führen. Ein Anstieg der trügerisch ist, ein bis zwei Prozent am Anfang, man ist versucht, Gas zu geben, denn es läuft ziemlich gut, aber die sechs Kilometer ziehen sich und die Steigung hat am Ende circa sieben Prozent. Peter hat das angekündigt und gemahnt, es nicht zu ungestüm angehen zu lassen. Ich folge mit Jürgen Zeiler und Alex den beiden Frontmännern und habe auf der Hälfte kurz Sorge, dass sie Peters Worte nicht beherzigt haben, denn das Tempo ist recht hoch, auch wenn einige andere Radfahrer uns überholen. Die fahren da aber nicht zum ersten Mal hoch, und machen auch sonst den Eindruck, öfter mal zu klettern. Aber kurze Zeit später, als die Steigung etwas steiler wird, sehe ich: Helmut und Christopher wissen genau, was sie an ihrem ersten richtigen Anstieg im Bergischen tun. Auch hier: Chapeau, Respekt, super.

Wer zuerst oben ist, darf nochmal

Das 'Problem' der ersten am Berg zu dieser Jahreszeit: Stehen bleiben, stolz auf die Leistung zu sein und zu warten, bis alle oben sind, wäre verdient, aber eher unklug: Man kühlt schnell aus. Deswegen heißt es für uns: Wieder runter und nochmal mit dem Ende der Gruppe hoch. Und Anne begleiten bei ihrem Triumph, die Steigung nach dem Sturz mit Schmerzen in der Schulter, Geduld und Charakter zu bezwingen.

 

Pünktlich oben auf dem Gipfel, haben wir dann einen Defekt. Während Jürgen und Alex Christopher beim Schlauchwechsel unterstützen, dreht der Rest kleine, unheimlich spannende Runden auf einem hässlichen Parkplatz bei Pohlhausen, in dessen Mitte eine dreckige verrottende Bushaltestelle steht. Aber Warmbleiben ist bei knapp drei Grad trotz Sonnenschein oberstes Gebot. Und nach ein paar Minuten geht es auch schon weiter. Es wartet die nächste Herausforderung, denn wer einen Berg hochfährt, muss ihn im Allgemeinen auch wieder runterfahren. Und je nach Abfahrt, hat Mama das einem bei der Geburt nicht unbedingt mit auf den Weg gegeben. Vielleicht hat man von vornherein den Mut, sich in eine Abfahrt zu stürzen, der ist allerdings nicht der entscheidende Faktor, um heil unten anzukommen, vor allem, wenn es auf dem Weg nach unten zwei, drei enge Kurven gibt. Doch auch diese Abfahrt zieht die Gruppe nicht weit auseinander. Falls irgendjemand Zweifel hatte, wozu es das Kuscheltraining gegeben hat – sie dürften allesamt ausgeräumt sein.

Mehr davon

Das letzte Highlight der Strecke sind die Wellen zwischen Forsbach und Bensberg. Sie sind in umgekehrter Richtung auch die letzte Herausforderung bei Rund um Köln, bevor es runter nach Rösrath und dann triumphal nach Köln zurück geht. Jürgen erklärt kurz die Herangehensweise. Auf den Bergab-Passagen möglichst viel Tempo aufbauen, um den Speed in den folgenden kleinen Steigungen auszunutzen. Das ist eine Sache, die auf dem großen Kettenblatt mit einem dicken Gang großen, dicken Spaß verspricht. Man kann die Wellen und die Längen der jeweiligen Bergauf- und Bergab-Passagen beim ersten Mal noch nicht richtig einschätzen, aber das funktioniert bei jedem weiteren Mal besser und wir werden den Abschnitt noch ein paar Mal in Angriff nehmen und noch viel Spaß bekommen.

Am Ziel angekommen, gibt es schließlich die angemessene Belohnung. Domenico hat es sich nicht nehmen lassen, an seinem Geburtstag einen Tour mit uns zu bestreiten und uns danach mit reichlich Leckereien zu versorgen. Vielen Dank dafür, ich hoffe, Du hattest noch einen schönen Tag.

Leider gab es auch in der Espressogruppe, die sich unterwegs noch geteilt hat, Stürze. Ich hoffe, es geht allen gut, und die Schmerzen lassen nach.

 

Ich war mittendrin in einer superschönen Ausfahrt, und nicht nur einfach dabei. Und es war toll zusehen, wie alle ihre ersten Bergischen Höhenmeter gemeistert haben. Ich will mehr davon. Ihr bekommt das schon nächste Woche, wenn es wieder in den Westen geht. Ich werde in Köln-Deutz an meinem Schreibtisch sitzen und an euch denken. Und ich weiß, ich werde neidisch sein.