You got To Take 'em As They Come
Einfach liegen bleiben?

Kann man Sonntagsmorgen um 7.30 Uhr aufstehen, sich um 8.30 Uhr bei knapp unter 0 Grad aufs Rad schwingen, etwas mehr als 100 km abreißen UND auch noch Spaß dabei haben? Ja, kann man. Möglicherweise ist da irgendwas mit den Genen schiefgelaufen, vielleicht ist man aber auch einfach nur bereit, es zu nehmen, wie es kommt, oder hat sich zumindest dran gewöhnt. Denn weder richten sich die Termine der Ausfahrten nach dem Wetter, noch nimmt das Wetter Rücksicht auf die Termine. Die Interessen kollidieren also bisweilen. Man muss da also durch oder resignierend im Bett liegen bleiben. Letzteres ist keine Option. Trotzdem bin ich doch überrascht und leicht irritiert, als ich tatsächlich um halb neun bei minus vier Grad durch die verschlafene Kölner Innenstadt fahre. Eine Gruppe junger Menschen, die aus dem Venus Celler stolpert, schaut mich verstört an, ich lächle zurück, denn ich kenne beide Perspektiven und weiß, wer sich heute Nachmittag besser fühlen wird.
Krankheitsbedingt dezimiert
Die Gruppe hat sich krankheitsbedingt von 40 auf 20 halbiert. Wir machen uns als eine Gruppe auf den Weg, die Temperatur ist immerhin am Nullpunkt angekommen. Damit allen schnell warm wird, hat Trainer Peter Zaun die Aufwärm-Kilometer gestrichen und auf den ersten zehn Kilometer gleich mal zwei Berge eingebaut. Der zweite führt uns auf den Panoramaweg bei Voiswinkel. Es bietet sich ein traumhafter Blick über die Kölner Bucht hinweg bis zur Eifel. Weiter geht es von Voiswinkel über Odenthal nach Limmringhausen. Nach dem Anstieg nach Limmringhausen, kann ich konstatieren: Der Inhalt meiner Trinkflasche aus dem Getränkehalter am Fahrrad ist noch nicht komplett gefroren und deshalb sehr erfrischend, das Getränk hat sich seine eigenen Eiswürfel gemacht. Praktisch, wäre im Hochsommer allerdings noch wesentlich praktischer. Sei's drum, da das zu erwarten war, hab ich noch eine Flasche in der Trikottasche. Die Wärmeentwicklung, die meine Umsetzung von Körperfett in Energie zur Folge hat, bewahrt das Ersatzgetränk vorm Kältetod. Die Flüssigkeitszufuhr ist gesichert.
Unschöne Gedanken

Was mir deutlich mehr Sorgen bereitet, sind meine Hände und Füße. Zwar sind alle warm verpackt, aber auch ziemlich exponiert, ähnlich wie die Vaseline-gefettete Nase, um die der eisige Wind übermütig tanzt. Ich überlege kurz, ob ich nicht daheim ein fesches Foto meiner gefrorenen Zehen mit #nofilter bei Instagram poste. Dann überlege ich kurz, warum ich das tun sollte. Falls es je Gründe gab, wurden sie vom Eiswinde verweht. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als weiter die Nase in den Wind zu halten und weiter zu fahren, schließlich bin ich ja auch nicht alleine. Außerdem ist traumhaftes Wetter, man muss der Sonne zugutehalten, dass sie genauso tapfer wie wir gegen die Kälte ankämpft. Es geht weiter durch Dabringhausen und Orte mit so wunderbaren Namen wie Habenichts, Dreibäumen und Scheideweg, wo wir tatsächlich rechts abbiegen in Richtung Dhünntalsperre. Zuerst kommt die schöne, kurvige Abfahrt zur Dhünn, wo man es richtig schön krachen lassen kann, anschließend folgt der Anstieg nach Laudenberg.
Sonne und klare Luft lindern die Leiden

Langsam sieht man die Erschöpfung, denn der Energieverbrauch ist bei der Kälte nicht zu unterschätzen, trotzdem blicke ich eigentlich nur in zufriedene oder fröhliche Gesichter. Kein Murren, wie bei manch weniger anstrengenden Tour im Herbst. Das Team hat eine beachtliche Entwicklung hingelegt. Insgesamt 66 Kilometer mit rund 1.000 Höhenmeter bei Null Grad verlangt eine Menge Disziplin und Stehvermögen ab, gerade für diejenigen, die im Oktober letzten Jahres zum ersten Mal auf einem Rennrad gesessen haben. Ich glaube vor fünf Monaten zu Projektbeginn hätten sich einige nicht vorstellen können, an einem so kalten Tag wie heute auf das Rad zu steigen. Sie haben es getan. Der größte und der schwierigste Teil der Strecke liegt hinter uns. Sonne und klare Luft lindern die Leiden – es folgt nur noch die schöne Abfahrt nach Kürten, dann geht es über Spitze und Herkenrath und die rasante Abfahrt in Sand zurück zum Ausgangspunkt, jetzt ist nur noch Spaß angesagt, das Beißen wird belohnt. Als wir am Ziel ankommen, sehe ich erschöpfte, aber vor allem glückliche Gesichter, niemand bereut, was er die letzten dreieinhalb Stunden getan hat. Zur Belohnung gibt es heißen Tee und Kuchen, anlässlich der Geburt von Evelyns und Rudis Enkelkind, beziehungsweise Michaelas Nichte. Herzlichen Glückwunsch. Bilgin, Martin, Jürgen Zeiler, Lena und ich machen uns auf den Weg von Bergisch-Gladbach nach Köln, die letzten 18 Kilometer, Kinderspiel. Der Wind ist immer noch kalt aber er kommt von hinten. Heißes Bad, und noch mal Kaffee und Kuchen warten. Vielleicht ein kleines Nickerchen. Hab ich mir verdient – bevor es nächste Woche auf die Strecke von Rund um Köln geht, wo wir die entscheidenden Abschnitte noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. Mit Schlossberg und Sander Berg warten spannende Herausforderungen auf das Team. Könnte wieder ein verdammt kalte Angelegenheit werden. Hoffentlich hält das Wetter…