Triumphfahrt unter blauem Himmel
Ein weiterer Sonntag morgen

Zack! Der Wecker schneidet dann doch unerwartet früh in den Schlaf, Dampfhammerähnlich, Zeitumstellung im Sommer. Schon hart, aber so ist es nun mal. Die Sonne schwingt sich sichtbar zum Himmel auf – und das Thermometer zeigt schon einen ganzen Grad, ungefähr 13 sollen noch dazu kommen. Das Leiden des Radfahrers – die Übergangszeit. Zieh ich mich dem einen Grad angemessen an, wird mir später zu warm, zieh ich mich den 13 Grad angemessen an, frier ich mir mindestens einen Stunde lang den Hintern weg, und eine Zwischenlösung ist eben nur eine Zwischenlösung, trotzdem muss sie es tun. Und Bewegung hält ja bekanntlich warm. Immerhin ist der Himmel strahlend blau. Und was interessieren meine Temperaturbefindlichkeiten angesichts der Tatsache, dass heute die letzte Ausfahrt des Wintertrainings von 'Von 0 auf 60' stattfindet?
Hügel im Weg
Für jeden Zeit, auf das zurückzublicken, was er den Winter über erreicht hat. Viele saßen am 1. Oktober des letzten Jahres das erste Mal auf einem Rennrad, das ist ein knappes halbes Jahr her. Heute liegen – je nach Gruppe – 70 bis 80 Kilometer mit 1.100 bis 1.400 Höhenmeter vor ihnen, und jeder wird es schaffen. Zum einen dank eines ausgezeichneten Trainers Peter Zaun, zum andern dank des eigenen Willens, der eigenen Disziplin, der eigenen Motivation. Ich weiß, dass so mancher am Anfang des Projekts nicht gedacht hätte, knapp 26 Wochen und 19 Ausfahrten später, eine solche Strecke bewältigen zu können. Und so wird es eine vierstündige Triumphfahrt – von Bensberg über den Panoramaweg nach Voiswinkel über den Anstieg über Schallemich nach Eikamp, weiter über Linde und Lindlar, und den letzten Anstieg von Immekeppel nach Bärbroich zurück nach Bensberg. Auf der Strecke bieten sich kaum Gelegenheiten, es mal 'rollen zu lassen', es geht auf und ab über welliges Terrain mit gelegentlichen Anstiegen und kurvigen Abfahrten. Der Kopf ist gefordert.
Einen weiteren Winter überstanden

Trotzdem: Die Stimmung ist gelöst, alle sind gut drauf. Es reiht sich Kilometer an Kilometer, Höhenmeter an Höhenmeter, während die Sonne ihr frühmorgendliches Versprechen hält und es mit zunehmender Fahrtzeit immer wärmer wird. Auf dem Panoramaweg bietet sich einmal mehr ein Wahnsinnsblick über Köln hinweg. Natürlich zieht sich die Gruppe bei den Anstiegen wie dem nach Eikamp auseinander, ganz natürlich, dass die einen am Berg besser sind als die anderen, aber jeder bewältigt ihn gut. Es geht über Bechen nach Biesfeld, Zeit durchzuschnaufen, bevor die kurz vor Biesfeld einige Wellen kommen, bei denen man richtig gut Geschwindigkeit aufnehmen kann, um die anschließende kurze knackige Steigung in einem dicken Gang hochdrücken kann – man hat kurz das Gefühl, mitten in einem Rennen zu sein, es wird überholt, gekontert, im Windschatten gefahren – es mag mitunter chaotisch wirken, aber es weiß jeder genau, was er tut. Keiner übernimmt sich, jeder weiß, was er wagen kann und was nicht, und jeder genießt den Augenblick des 'freien Fahrens', wo die Zweierreihen aufgelöst werden und sich die Gruppe auseinanderzieht. Guide Jürgen K. zieht vorne das Tempo an, Trainer Peter Zaun behält den Überblick über das, was sich dahinter abspielt, und seine Frau Inge schließt das nun lang gezogene Feld ab und behält einen coolen und routinierten Überblick über das Geschehen vor ihr. Man fühlt sich von allen Seiten abgesichert. Auf dem Weg über Linde nach Lindlar findet die Gruppe zurück zur Zweierreihe, bleibt auch beim kurzen Anstieg nach Lindlar hinein geschlossen, die Stimmung ist weiter gut, es wird munter gequatscht.
Schneller als erwartet

Auf dem wiederum welligen Abschnitt nach Immekeppel lässt die Disziplin etwas nach, die Gruppe fällt weit auseinander und wird von einzelnen Teilen der ebenfalls gesprengten, schnelleren Espressogruppe überholt, es zieht sich ein wenig wie Kaugummi, aber jeder einzelne beißt sich tapfer durch, bis die Gruppe in Immekeppel vor dem fünf Kilometer langen Anstieg nach Bärbroich wieder zusammenfindet.
Wenn es bis jetzt in großen Teilen eher gemächlich zuging, so darf und soll jeder auf den folgenden fünf Kilometern herausfinden, zu was er in der Lage ist. Der Berg ist sozusagen 'freigegeben', jeder ist herzlich eingeladen und aufgefordert mit dri bis fünf Herzschlägern über GA2-Bereich das Ding hochzufahren. Peter wird am Ende der Tour sagen, dass es insgesamt schneller ging als er es erwartet hat. Für den Trainer ein mehr als zufriedenstellendes Fazit. Die 'Debütanten' haben eine Superentwicklung hingelegt. Von denen, die länger dabei sind, muss jeder seine eigene Einschätzung vornehmen – meine persönliche fällt gut aus, ich war selten Ende März so gut drauf.
Nun es geht die letzten Kilometer nach Bensberg fast nur noch bergab. Dort wartet Überraschungsgast Pierre, der verletzungsbedingt pausieren muss, mit Apfelschorle und Kinderriegeln, genau das Richtige nach 70 Kilometern im Bergischen bei traumhaften Bedingungen. Ein tolles Wintertraining nimmt sein Ende, schade. Andererseits bedeutet das: Der Winter ist vorbei, die Saison geht los. Ostermontag folgt für die Gruppe das Testrennen in Linde, und dann folgt die Vorbereitung für Rund um Köln, weitere zehn Touren mit Peter und einem Teil des Teams. Und zwischendurch das Trainingslager im Bergischen. Ich bin bereit und freu mich drauf.