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Tobis Radblog: Wintertraining "Von 0 auf 60" Saison 2017/18 - Trainingslager 14. - 22. April - Teil 1

"Ride a bike, ride a bike, ride a bike" (Fausto Coppi)

Neun Tage, 650 Kilometer, 6.800 Höhenmeter

Das ist also das Programm für die nächsten Tage, von Samstag bis Sonntag, die lange Version davon, mit den Tagen dazwischen, neun Tage Kilometer und Höhenmeter schrubben, vom 14. bis zum 22. April. Vergnügen und Quälerei auf dem Rad, 14 wahrscheinlich komische Menschen haben sich dafür extra Urlaub genommen, um sich von Trainer Peter Zaun über mehr oder weniger steile, mehr oder weniger lange Berge scheuchen zu lassen. 

Trainingslager vor dem Trainingslager

Rennrad Wintertraining Trainingslager
Vorbereitung mit Papa

Wozu ein Trainingslager im Bergischen Land? Das muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Zum ersten Mal die 68-Kilometer-Strecke von 'Rund um Köln' fahren? Schneller als letztes Jahr? 'Rund um Köln' in unter zwei Stunden? In unter 1:45h? Berge im GA1-Bereich (also ohne sich anzustrengen) hochfahren? Triathlon? Ironman? Abnehmen? Mecklenburger Seenrunde (307 Kilometer am Stück)? Alles ist vertreten, und Peter hat die Aufgabe und das Vergnügen, das alles unter einen Hut zu bekommen. 

 

Aber bevor ich beschreibe, wie ihm das gelingt, muss ich noch etwas loswerden. Vor dem Trainingslager steht das Trainingslager zum Trainingslager, in dem kleinen Dorf Elvershausen, etwas südlich von Osterode. Dort ist mein Vater groß geworden, und mit ihm war ich dort fünf Tage Fahrradfahren. Über 200 Kilometer und weit mehr als 1.000 Höhenmeter hat er dort mit mir abgerissen, auf seinem Damenfahrrad mit Stahlrahmen und Acht-Gang-Nabenschaltung, mit 76 Jahren. Ich bin stolz auf meinen Papa, und wir hatten eine tolle Zeit, mit Super Wetter und irren Geschichten aus seiner Vergangenheit.

Gemütlich Einrollen

Rennrad Wintertraining Trainingslager
Erster Tag: Einrollen mit Eis

Das 'Von 0 auf 60'-Trainingslager beginnt zwei Tage nach unserer Rückkehr, und auch in Köln ist das Wetter gut, es ist trocken, die Sonne zeigt sich. Es gibt eine Standardrunde von rund 50 Kilometer zum gemütlichen Einrollen und Ziele Abstecken. Rein zufällig befindet sich zehn Kilometer vor Zuhause eine Eisdiele. Wie gemacht für Ziele. Ein recht gemütlicher Auftakt, der allerdings nicht über die kommenden Tage hinwegtäuschen sollte.

In der Nacht meint der Himmel, noch mal weinen zu müssen, hört aber pünktlich am Sonntagmorgen zum Start in Bensberg auf. Zu den Trainingslagerteilnehmern gesellen sich die Teilnehmer der wöchentlichen sonntäglichen Vorbereitung für das Rennen 'Rund um Köln' im Juni, die seit Anfang April läuft.

Sonntag stehen 70 Kilometer mit einigen Hügeln und rund 1.100 Höhenmetern auf dem Programm. Die Sonne vertreibt langsam die letzten Wolken, als sich die rund 30-köpfige Gruppe auf den Weg macht. Noch ist es ein wenig kühl, aber die gute Nachricht verbreitet sich so langsam wie gewiss: Der Winter ist vorbei. Das Wintertraining hat bereits zwei Wochen zuvor mit einem Testrennen sein Ende gefunden. Das bedeutet allerdings auch: Das gemütliche Fahren im soliden Grundausdauerbereich ist vorbei, es geht an den Feinschliff für die Saison.

Raus aus der Komfort-Zone

Rennrad Wintertraining Trainingslager
Noch kann man lachen

Klar ist: Ohne Grundausdauer (GA 1) kann man kein Rennen bestehen. Mit Grundausdauer allein kommt man mit Sicherheit ins Ziel, allerdings ziemlich weit hinter den anderen. Es geht also darum, die 'Komfort-Zone' zu verlassen, speziell, wenn es den Berg hoch geht. Von den sechs Hügeln gilt es, die letzten drei im GA-2-Bereich hochzufahren. Einfach ausgedrückt: Die Herzfrequenz geht etwas höher, in einen Bereich, in dem es eher schwer fällt, seinen Mitfahrern lustige oder auch weniger lustige Geschichten zu erzählen. Anfühlen tut es sich eher weniger lustig. Auch das Essen fällt schwer. Hat man weder einen Herzfrequenzmesser noch einen Fahrpartner noch ein Brötchen zur Hand, kann man das gut mit einem Kaugummi ausprobieren. Wenn man in den GA-2-Bereich kommt, bekommt man das große Bedürfnis, das Ding loszuwerden.

Als ob das nicht reicht, ordnet Peter an: Zweihundert Meter vor Schluss nochmal Gas geben, maximale Herzfrequenz heraus kitzeln und mit Schwung über die Kuppe fahren. Das fühlt sich nun ganz und gar nicht mehr lustig an. Es beginnt knapp die Phase, wo man den Geschmack von Blut im Mund wahrzunehmen beginnt, wenn man noch weiter macht. Will man allerdings 'vorne' (wie immer man das für sich definieren will) mitfahren, muss man wissen, dass man da durch muss. Qual mit Ansage sozusagen. Liegt nicht jedem.

 

Für Trainingslagerteilnehmer gibt es eine gute Nachricht: Sie dürfen einen von den Hügeln auslassen, taktisch praktisch gesehen den zweiten. Ob nun Trainingslager oder nicht, die Gruppe setzt alles gut um. Und mit jedem Hügel lässt die Sonne etwas mehr von sich sehen. So kann das Trainingslager weitergehen.

Noch sind alle guter Dinge

Der Montagmorgen kommt schneller als man denkt. Das Programm für den dritten Tag nennt sich 'Bergische Schleifen'. Klingt irgendwie nett, aber auch anstrengend. Denn ein Problem hat sich in den letzten Jahren klar herauskristallisiert: Wenn man in Bensberg losfährt, hinein ins Bergische, auf den ersten Kilometern geht es immer erst mal richtig gut bergauf. Deswegen fahr ich immer mit dem Rad zum Treffpunkt, das ist für mich keine zusätzliche Strecke, das ist knapp 20 Kilometer langes nettes Einrollen. Ein Blick in den Trainingsplan offenbart, dass es sich bei den netten 'Bergischen Schleifen' in der Tat um "viele Hügel" handelt. Die soll man aber "locker fahren". Nun denn, am Treffpunkt sind alle guter Dinge. "Noch", sagen die, die sich zum ersten Mal im Trainingslager befinden. 

Es geht los, alles ganz entspannt, bis es am zweiten Hügel plötzlich knallt. Silke ist beim Schalten in den ersten Gang die Kette zwischen Speichen und Ritzel gerutscht – mit dem für das Rad schlimmsten möglichen Ausgang: Das Schaltauge ist abgebrochen, Weiterfahren unmöglich, niemand hat ein Schaltauge, geschweige denn ein passendes dabei. Kurzer Hand organisiert jemand von einem vorbeifahrenden Wirtschaftsfahrzeug der Stadtwerke ein paar Kabelbinder. 

So kann Peter Schaltauge und Kette fixieren und die Gruppe rollt zum Startpunkt zurück – es geht ja (das ist der Vorteil von Hügeln am Anfang) hauptsächlich bergab – ansonsten biete Peter eine helfende Hand in Silkes Rücken. So wird die Tour schließlich neu gestartet, leider ohne Silke, und etwas verkürzt. Am Ende stehen  rund 70 Kilometer mit knapp 1.000 Höhenmeter. Für die, die wie ich mit dem Rad aus Köln kamen, entsprechend mehr.

Mehr Eis

Am vierten Tag folgt der erste Ruhetag, eine möglicherweise leicht irreführende Bezeichnung, denn Ruhetag bedeutet nicht, dass nicht Rad gefahren wird. Knapp 50 Kilometer stehen auf dem Programm, allerdings werden die ruhig gefahren. Aktive Erholung sozusagen. Der Puls geht nicht über den Kompensationsbereich hinaus – trotz Tätigkeit (oder gerade dadurch) erholt sich der Körper. Ein lustiges Plaudern und Schnacken beim Fahren. Die Strecke ist fast identisch mit der vom ersten Tag, so bietet sich – auch aufgrund des guten Wetters – erneut eine Einkehr in die Widdersdorfer Eisdiele an. So lässt es sich angenehm regenerieren. Denn der härteste Teil des Trainingslagers kommt noch, am morgigen Mittwoch eine recht kurze Tour (60 Kilometer) mit drei Bergen und Steigungen von rund 20 Prozent, am Donnerstag 90 Kilometer mit knapp 1.400 Höhenmeter. Am Freitag steht die 'Königsetappe' an, mit Start- und Zielpunkt beim legendären 'Hähnchen-Ewald'. Samstag noch einmal Regeneration bis das Trainingslager mit der Ausfahrt im Rahmen der 'Rund um Köln'-Vorbereitung am Sonntag endet.