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Tobis Radblog: Wintertraining "Von 0 auf 60" Saison 2017/18 - Erkundung der Strecke von "Rund um Köln"

Mental kotzen können

Auf zu den Schlüsselstellen des Rennens

Wieder mal Sonntagmorgen, wieder mal sieben Uhr aufstehen, Radklamotten an, Haferflocken. Beim Kaffee versuche ich die schmerzenden von den nicht schmerzenden Fasern meines Körpers zu trennen, es ist jedoch eine ziemlich unübersichtliche Angelegenheit. Acht Tage Trainingslager im Bergischen Land bei sommerliche Hitze (was für ein Traumwetter!!!) haben ihre Spuren hinterlassen. Der Flüssigkeitsverlust ist nur noch mühsam zu kompensieren. Dennoch auf zum letzten Tag. Mit An- und Abfahrt noch einmal 105 Kilometer, Vorbereitung auf 'Rund um Köln'. Wir wollen zusammen die Schlüsselstellen (Im Rennen, ungefähr die Kilometer 20 bis 50) unter die Lupe nehmen. Was sind das für Stellen, wie komme ich damit klar, wie komme ich demnächst vielleicht besser damit klar und wie kann ich welche Stelle für meinen Vorteil nutzen?

Fähigkeiten und Präferenzen

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Unterwegs, irgendwo rund um Köln

Knapp 30 Leute wollen mehr über diese Schlüsselstellen wissen, und so rollt die Gruppe recht zügig durch Bergisch-Gladbach und Voiswinkel in Richtung Odenthal. Denn der erste 'Rund um Köln'-Knackpunkt liegt von Bergisch-Gladbach aus kurz vor Odenthal. Ein blaues Schild weist Richtung 'Trostwald', doch Trost werden die wenigsten dort finden, die meisten werden ihn ungefähr drei bis vier Kilometer weiter brauchen. Denn zum Trostwald geht es diese drei bis vier Kilometer verhältnismäßig steil bergauf. 

 

Nun gut, es ist alles (wie immer irgendwie) relativ. Für die Leichtgewichte mit einer gewissen Affinität zum Berghochfahren ist das Ding am Trostwald kein Berg, für etwas schwerer gebaute Hobbyfahrer, die gern durch das Flachland westlich von Köln brettern schon. Folglich können hier erstere Zeit gut machen, und zwar gegenüber letzteren. Das Terrain dieser Letzteren folgt so ziemlich hinter diesem 'Ist-Das-Jetzt-Ein-Berg-Oder-Nicht?-Gebilde': die Wellen hinter Neschen nach Bechen. Drei Stück, auf denen man mehr oder weniger gut surfen kann, auch das hängt von der körperlichen Beschaffenheit, den radlerischen Fähigkeiten und Präferenzen des Kombattanten ab.

Wellen wie ein durchzechtes Wochenende

Um das Bild zu bestätigen, das ich in den letzten Jahren von mir gestaltet habe: Ich finde die scheiße, und zwar noch scheißer als den Trostwald. Und das obwohl ich eigentlich mehr der Wellen-Fahrertyp bin. Aber eben nur von der Physis her. Mental neig ich da eher zum Kotzen. Mental fahr ich lieber lange Bergpässe, was mir mental eben auch viel einfacher fällt als physisch. Was mir dabei regelmäßig wieder auffällt: Mental übersäuern meine Muskeln auch gar nicht. 

Wo ich aber hier gerade schon inflationär mit dem Wort mental um mich schmeiße: Peter sagt völlig zu Recht: Rennen gewinnt man nicht mit den Beinen allein, es ist auch ziemlich viel Kopfsache dabei. Es schadet also nicht, wenn man mental UND physisch kotzen kann. Wellen fahren, wie ich es zwischen Neschen und Bechen erlebe, kann man vielleicht am besten mit einem durchzechten langen Wochenende vergleichen: Du musst immer weiter den dicken Gang treten. Erst bergab, das ist okay, mach sogar Spaß. Noch ein Bier bitte, ist ein lustiger Abend. Das dann aber auch weiter durchziehen bis zur nächsten Kuppe. Also Magenbitter dazu, obwohl Du weißt, dass der nächste der eine zu viel ist, der eher Übelkeit als Linderung verschafft. Und das dann noch zwei mal. Deshalb mag ich das nicht. 

Aber als körperlich eher kräftiger Fahrer kann man bergab eben viel mehr Schwung sammeln als ein Leichtgewicht und den im Gegenanstieg entsprechend nutzen. Die Maxime heißt dann: Nicht runterschalten, durchdrücken, bis Schaltung, Fahrrad und Fahrer ächzen. Die beiden zuerst genannten ächzen meist zuletzt. Lange Berg hochfahren ist eher wie ein Kater, fängt Scheiße an, bleibt auch ziemlich lange so, man gewöhnt sich aber dran, und bald danach ist es vorbei. Im Grunde ist das alles eine gewisse Form von Masochismus. Um die Frage zu klären, warum ich das alles gerne mache, bräuchte ich wahrscheinlich professionelle Hilfe.

800 Meter lange Jahre des Leidens

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Sander Berg: Kurz und steil

Also besser weiter zum nächsten Knackpunkt – Abfahrt von Spitze mit kurzem Gegenanstieg, rechts um die Ecke, weiter bergab nach Sand. Von Spitze runter kommt man leicht auf sehr hohe Geschwindigkeit, die man über den kurzen Gegenanstieg bringen muss, um sie für die Abfahrt nach Sand zu nutzen. Auch hier hat man als kräftiger Fahrer Vorteile, man rollt besser. Vor dem kurzen Anstieg sollte man zusehen, dass man Windschatten bekommt. Dann kann man eigentlich recht gut mit hohem Tempo auf die Abfahrt gehen.

Die findet ihr natürliches Ende in Sand. Es geht scharf links, und als Hobbyfahrer hat man dann besser auf das kleine Kettenblatt geschaltet. Von denen, die das nicht tun, hört man im Rennen oftmals eigenartig artikulierte Schreie, die absolutes Missfallen ausdrücken sollen. Sand ist –folgt man dem Hit der Gebrüder Blattschuss – wie eine Kreuzberger Nacht: Fängt "ganz langsam an, aber dann, aber dann" irgendwann 18 Prozent. Steigung, nicht Alkohol. Zum Glück ist der Berg nicht so lang, 800 Meter, aber am Ende dieser 800 Meter ist man mehr als 100 Meter höher über dem Meeresspiegel als vorher. Doch zwischen Anfang und Ende Sander Berg liegen gefühlt lange Jahre des Leidens. Dabei ganz wichtig, die Rechtskurve des Berges (ungefähr Mitte) innen fahren. Ist ein noch Stück als außen. Deswegen fahren aber die meisten außen. Innen ist aber kürzer (simple Mathematik), also gilt: Hintern aus dem Sattel, Wiegetritt. 

 

Wer kann, sollte einen Gang höher schalten und kurz Zähne zusammenbeißen. Merke: Wenn man das Privathotel Bremer sieht, ist es fast vorbei. Bald wird es flacher, und es folgt eine rasante Abfahrt nach Bensberg. Im wirklichen Rennen noch viel angenehmer ohne parkende Autos und Gegenverkehr – einfach mal laufen lassen. Nützliche Erholung, denn es folgt der Höheknackpunkt – der Anstieg zum Schlosshotel, der letzte Teil davon über Kopfsteinpflaster.

Pflastersteine und Crosseinlage

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Leicht ruckelig: Weg zum Schloss in Bensberg

Schlossberg: Bergauf über Kopfsteinpflaster. Eine Reminiszenz an belgische Klassiker. Wer aber mal einen Pflasterstein der Strecke von Paris-Roubaix gesehen hat, weiß es gibt Pflastersteinstraßen mit Betonung auf den ersten drei Silben und Pflastersteinstraßen mit Betonung auf den letzten zwei Silben. Bensberg ist zum Glück eher letzteres, aber auch nicht zu unterschätzen. Vom Wiegetritt sollte man absehen. Hintern leicht auf dem Sattel, Gewicht auf das Hinterrad und eher einen dickeren Gang treten. Stichwort: Druck aufs Pedal. 

So viel erstmal zu den Schlüsselstellen, die wir im Laufe der Vorbereitung jede noch einmal einzeln genauer studieren werden. Ganz getreu dem Motto erst die Arbeit dann das Vergnügen, ging es auf den nächsten 40 Kilometern zunächst immer noch auf der 'Rund um Köln'-Strecke nach Rösrath und weiter auf die Straße am Flughafen, wo auf neun Kilometern mal belgisch gekreiselt werden konnte. 

Für das erste Mal in diesem Jahr und auf Kommando lief das ganz gut, die schnellere der beiden Gruppen hatte zumindest konstant zwischen 40 und 45 km/h auf dem Tacho, zwischenzeitlich sogar 50. Da muss also irgendwas funktioniert haben. Und so ließen wir die Runde gemütlich auslaufen. Kurz vor Schluss wartete auf den letzten paar Hundert Metern noch ein Highlight – Stadt über den Radweg ging es durch den Wald an der Saaler Mühle zurück zum Ausgangspunkt. Die kurze Cross-Einlage schien einigen Suspekt, bei anderen ließ es das seit dem Winter vernachlässigte Crosserherz höher schlagen – da ist Schotter, da ist Sand, da ist Dreck, da sind Huckel, ich glaub, ich muss Gas geben…

 

Gelungener Ausklang, vor allem für alle, die die letzten neun Tage mit Peter im Trainingslager verbracht haben.