Gut, wenn man weiß, was man tut
Es macht nichts, wenn man sein Arbeitsgerät beherrscht
Fahrsicherheitstraining kann trocken sein. Aber selbst wenn es das nicht ist, ist es immer noch trockener als bei prallem Sonnenschein über den Asphalt zu heizen. Das ist nun mal so, und das mag erklären, warum die Gruppe am Sonntagmorgen um halb zehn nicht vollzählig in Bensberg antritt.

Mancher mag auch denken, dass es ihm nichts mehr bringt. 'Everybody has the right to be wrong', sang Bobby Darin einst, ich hab bisher aus jedem Fahrsicherheitstraining etwas mitnehmen können, und sei es einfach nur die Bestätigung, dass ich mein Arbeitsgerät besser beherrsche als letztes Jahr. Dieses Mal werde ich mit der Erkenntnis nach Hause kommen, dass meine Radfahr- und Multi-Tasking-Fähigkeiten noch nicht ausreichen, um gleichzeitig bei unter 15 km/h freihändig um eine Kurve zu fahren, einem Bordstein auszuweichen, dabei meinen Hintermann nicht zu gefährden und einen blöden Spruch zu reißen. Mein Dank geht an den in Sturznähe gelegenen Busch. Die Frage ist, wann man es können muss, gleichzeitig bei unter 15 km/h freihändig um eine Kurve zu fahren, einem Bordstein auszuweichen, dabei seinen Hintermann nicht zu gefährden und einen blöden Spruch zu reißen. Die Antwort lautet: keine Ahnung, aber Chuck Berry stellte einst fest: 'C'est la vie, say the old folks, it goes to show you never can tell". Es schadet also nicht, wenn man es kann.
Mathe? Physik? Ich will doch nur fahren…
Aber von vorn: Es geht damit los, auf einem Supermarkt-Parkplatz in einem Oval zu fahren, aller hintereinander, ohne Lücken reißen zu lassen. Öde, denkt man schnell, bis man sieht, dass es keine Runde dauert, bis Lücken reißen. Es ist nämlich so, dass Trainer Peter Zaun vorweg fährt und die Kurven sehr scharf nimmt, dass es schwer fällt an ihm dran zu bleiben, die meisten trauen sich nicht, in den Kurven seiner scheinbar waghalsigen Fahrlinie zu folgen – zu schnell, zu schräg, zu eng. Schnell wird deutlich, es geht nicht um die geschlossene Reihe. Ganz egal ob man nun Einer-, Zweier- oder Dreierreihe fährt. Es geht um die Kurven – wie fahre ich sie an, wie fahre ich durch und wie komme ich wieder raus? Das möglichst schnell und möglichst unbeschadet.

Schön ist es wenn man einen großen Radius zur Verfügung hat, leider hat die Mathematik dafür gesorgt, dass der Radius kleiner wird, je enger die Kurve ist. Das ist doof, denn je enger die Kurve ist, umso mehr muss ich die Geschwindigkeit verringern. Denn die Physik sorgt ansonsten dafür, dass einen die Fliehkräfte nach 'ganz weit draußen' schicken, wo bestenfalls kein Asphalt mehr ist, schlimmstenfalls eine Mauer oder schlicht Nix. Diese zwei Beispiele mögen reichen, um mein gespaltenes Verhältnis zu Naturwissenschaften zu erklären. Um die Geschwindigkeit möglichst wenig zu verringern muss man den Radius vergrößern. Einfach gesagt: Ich fahr die Kurve ganz weit außen an (also eine Linkskurve von ganz weit rechts), nehme sie am Scheitelpunkt ganz weit innen (also ganz weit links) und fahr ganz weit außen (also wieder ganz weit rechts) wieder raus. Das andere Extrem: Wenn die Straße nur einen kleinen Knick macht, kann man im Grunde geradeausfahren. Das alles unter der Voraussetzung einer Rennsituation: Kein Gegenverkehr. Gegenverkehr kann den Scheitelpunkt einer Kurve durchaus ungünstig verlegen, bzw. Möglichkeiten, eine Kurve von außen anzufahren, begrenzen. Besser, man behält das im Hinterkopf.
Die Kurve: Kalkuliertes Risiko

Möglichst schnell durch eine Kurve zu fahren, bringt noch andere Herausforderungen mit sich: Zum Beispiel die Schräglage. Je schräger man sich in eine Kurve legen kann, desto schneller komm ich durch. Nur: Wie viel schräg hält mein Fahrrad aus? Viel, mehr als 45 Grat. Das Problem: Lenken oder Bremsen kann man dabei nicht, denn dann rutscht das Rad weg. So wird eine Kurve, wenn man sie wirklich richtig nehmen will, zum kalkulierten Risiko: Ohne Bremsen und Lenken muss man die gewählte Linie durchziehen, es bleiben keine Möglichkeiten zur Korrektur. Sollte die Gefahr bestehen, dass es mich hinter dem Scheitelpunkt zu weit nach außen trägt, bleiben – so Peter – zwei Möglichkeiten: 1. Beten. 2. Sich aus der Schräglage aufrichten und dann erst bremsen. Das wiederum kostet Geschwindigkeit, Kraft und im Rennen wertvolle Meter.
Was sich direkt an das Thema Kurve anschließt, ist das Thema Gleichgewicht. Wenn man sich mal so ein Fahrrad anschaut, muss man nicht promoviert haben, um festzustellen: Radfahren hat etwas mit Gleichgewicht zu tun, sobald Papa die Stützräder abgebaut hat.
Alles im Gleichgewicht, dann fließt es auch

Und je besser man das Gleichgewicht halten kann, umso sicherer fühlt man sich. Freihändig fahren hilft dabei, das Gleichgewicht zu finden und einen entscheidenden Clou zu entdecken. Man muss nicht gleich versuchen, freihändig um eine Kurve zufahren, aber schon beim Geradeausfahren merkt man, dass man nicht unbedingt die Hände am Lenker haben muss, um das Rad in eine bestimmte Richtung zu lenken. Es funktioniert auch über gezieltes Verlagern des Gleichgewichts. Dieses Phänomen lässt sich am einfachsten feststellen, wenn man den Oberkörper dreht (egal ob mit Händen am Lenker oder freihändig) – das Rad steuert in die entsprechende Richtung.

Oder: Das Fahrrad am Sattel schieben – durch leichtes Hin- und Her bewegen des Sattels lässt sich das Rad in jede beliebige Richtung und um fast jede Ecke Steuern, ohne dass man etwas am Lenker macht. Und so folgt einem das Rad einfach nur, indem in eine gewisse Richtung schaut. Also einfach mal gucken, wo man hin will, speziell in Kurven. Um möglichen Hindernissen IN den Kurven auszuweichen, ist es dann ohnehin zu spät...
Das Gleichgewicht ist auch für den Fall wichtig, falls man abrupt bremsen muss, möglicherweise so stark, dass man zum Stehen kommt, dann aber direkt wieder antreten muss. Im Alltag oder Straßenverkehr mag das eine Ampel sein, die just dann auf Grün wechselt, wenn man den Fuß vom Pedal nehmen will.

Ähnliche Situationen können aber auch in einem Rennen auftreten – Hindernisse, ein Sturz oder ähnliches. Aber auch eine simple 90-Grad-Kurve, der Beginn einer längeren Steigung oder die Einmündung einer breiten in eine sehr viel schmalere Straße. Alles kein Problem, wenn man allein oder zu zweit unterwegs ist. In einer größeren Gruppe entfaltet sich jedoch mitunter eine ganz eigene Dynamik, und es folgt der Zieharmonika-Effekt. Es ist also durchaus von Nutzen, wenn man das Gleichgewicht auf dem Rad noch halten kann, wenn das Ding steht – nicht lange, aber gaaaanz kurz halt – kann man an roten Ampeln üben, besser irgendwo jwd, wo keiner kommt oder guckt. Kommt doof, wenn man an einer Ampel stehend wie ein nasser Sack umfällt.

Helfen, das Rad zu beherrschen, tut auf jeden Fall Peters Lieblingsübung: Beim Fahren Trinkflasche aus dem Halter nehmen und auf dem Boden abstellen und beim nächsten Vorbeifahren wieder aufnehmen. Schult Gleichgewicht und Augen-Hand-Koordination, denn man macht eine ganze Menge gleichzeitig: Fahren, bremsen, lenken, nach unten gucken, Hand vom Lenker, nach vorne gucken, schauen, dass die Flasche nicht umfällt…
Das alles schützt nicht vor Stürzen, man kann nicht alle Faktoren ausschließen. Aber es hilft, sich bei dem, was man tut, sicherer zu fühlen, denn man verinnerlicht, was man da gerade tut, wenn man auf dem Rad sitzt. Damit minimiert man die Risiken und gewinnt Selbstvertrauen, wenn man merkt, dass das Rad dem Fahrer folgt…