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Tobis Radblog: Wintertraining "Von 0 auf 60" Saison 2017/18 - Raceday

"Von0auf60" bei Rund um Köln

Endlich ist der Tag da

Endlich ist er da, der Tag auf den alle hingearbeitet haben: Race Day. Im Grunde beginnt er 25 Stunden bevor am Sonntag um 11:00 Uhr der Startschuss fällt. Am Samstagmorgen um kurz vor 10:00 Uhr stehe ich mit Trainer Peter Zaun und seiner Frau Inge an der Startnummern-Ausgabe, dabei öffnet diese eigentlich um Punkt zehn. Irgendjemand hat die Bürokratie beschädigt…

Das Große Schaulaufen beginnt

Rennrad Rund um Köln Rennen
Ich kenne keinen RuK-Teilnehmer, der diese Erfindung nicht schätzt

Mit den Startnummern – jede fein säuberlich samt Sicherheitsnadeln und Transponder zur Zeitnahme in einen Umschlag gepackt, geht es zur Starterbeutel-Ausgabe. In einem schicken von Skoda gesponserten Beutel gibt es allerlei Dinge, die eigentlich niemand braucht – bis auf eine Trinkflasche und eine Mütze, die dieses Jahr allerdings unter der interessanten Farbe (dreckbraun, wenn man es positiv ausdrückt) leidet. Danach geht es mit den 26 Umschlägen zum Transponder-Check. Jeder einzelne wird über einen Scanner gezogen, Peter muss jeden einzelnen per Druck auf den Touchscreen bestätigen. Die Damen haben einen roten Hintergrund, die Herren einen blauen. Wir sind beruhigt, die Bürokratie funktioniert noch. Trotzdem ging das alles sehr schnell.

 

Vor der Rennbesprechung um 11:30 Uhr bleibt noch genug Zeit für einen Kaffee. Von der Terrasse eines dieser hippen Cafés im Rheinhafen haben wir einen perfekten Blick auf das Schaulaufen, das vor der Startnummern-Ausgabe stattfindet. Hauptsächlich männlich und Ü40, so mancher scheint in Radklamotten auf der Sonnenbank überwintert zu haben. Und heute ist der Tag gekommen, an dem der neue 2000 Euro 80mm Laufradsatz ausgeführt wird. Der Körpersprache nach zu urteilen ist dieser Tag wichtiger als der, an dem er gefahren wird. Bis 20 Meter vor das Zelt wird gefahren, dann abgestiegen, und langsam in Radschuhen zum Eingang stolziert. Was für eine Choreographie. Jetzt nur nicht stolpern

Die Rennbesprechung

Langsam wird die Show langweilig, die Szenen wiederholen sich, und es wird Zeit für die Rennbesprechung im Sportmuseum. Nervosität wirkt man am besten mit Sicherheit entgegen. Diejenigen, die das Rennen schon mal gefahren sind, wissen, was kommt. Die "Debütanten" wissen es eigentlich auch, sind sich dessen aber nicht unbedingt bewusst. Sie kennen die Strecke, sind die entscheidenden Abschnitte mehrmals gefahren, im Grunde ist es Wissen auf Abruf, es muss eben nur abgerufen werden. Und das versucht Peter, ihnen nun noch einmal klar zu machen. Nur im Rennen passiert das alles viel schneller, viel intensiver, und es sind viel mehr Menschen um einen rum. Von denen manche leider nicht so genau wissen, was sie da tun. Deswegen ist es gut, dass alle "Von0auf60"-Teilnehmer mindestens im Startblock B stehen, da überwiegen die Teilnehmer, die eine Ahnung von dem haben, was auf sie zukommt.

Im Grunde ist alles ganz einfach

Rennrad Rund um Köln Rennen
Im Grunde ist alles ganz einfach - nervös ist man trotzdem

Punkt für Punkt geht Peter das Rennen durch. Start auf dem Großen Kettenblatt, es wird direkt schnell – Achtung beim Rheinufertunnel, die Straße wird enger, es geht etwas bergab – Vollgas Rheinuferstraße, rauf auf die Mühlheimer Brücke, möglichst nicht runterschalten – die 90-Grad-Kurve hinter der Brücke – nach, durch und raus aus Schildgen, Speed halten – dann die schwierigen Abschnitte: Trostwald, bis zum Umfallen gefahren – genauso wie die Wellen – jeder sollte wissen, wie er sich die Kräfte dort am besten einteilt. Abfahrt nach Spitze, im dicken Gang über die kleine Gegensteigung drücken, Abfahrt nach Sand – Sander Berg, Bensberg, Schlossberg, auch bis zum Erbrechen gefahren – Forsbacher Wellen, bei den Gegensteigungen nochmal beißen, sie sind einfacher als die von Bechen. Das härteste ist vorbei Abfahrt nach Rösrath – Konzentration hochhalten – Abzweigung Richtung "Schmitze Bud" – das ist die Endhaltestelle der Linie 9, das ist also schon wieder Kölle, kann nicht mehr weit sein, Geschwindigkeit hochhalten, normalerweise sollte hier jeder in einer Gruppe sein, die exakt den Speed fährt, den man selbst gerade noch so fahren kann, die Zuschauer an der Strecke werden mehr – Severinsbrücke, genießen, Gänsehautgefahr, Vorsicht bei der Kurve von der Brücke runter, die Straße wird schmaler – Zielgerade – geschafft. Und jeder wird schneller auf dieser Zielgerade sein, als er gerade glaubt.

Aber ich mag die Spannung um das Rennen herum, die Vorbereitung, das Warmfahren, die letzten Tipps, alles Gute wünschen, das Daumendrücken, mit dem Wissen, was in den anderen gerade vor sich geht. Ich mag es Teil dieses großartigen Teams zu sein. Deswegen werde ich auch zum Warmfahren parat stehen.

 

Im Grunde ganz einfach. Aber ich fahr ja auch nicht mit. Ich hab's für mein Gefühl oft genug gemacht. Außerdem geht's diese Woche mit dem Rad in die Toskana, mein persönliches Saisonhighlight, auf das ich mein Training ausgerichtet habe.

Die Machtlosigkeit des Trainers

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Trainer Peter Zaun und Inge Daniels: Hoffen, Bangen, Warten

Am Nachmittag drehe ich noch eine kurze Trainingsrunde mit Christopher. Letztes Jahr ist er ohne Vorbereitung mit "Von0auf60" zwei Stunden und 20 Minuten gefahren. Sein Ziel: Unter zwei Stunden bleiben. "Mal gucken, ob ich das schaffe" – er wird es schaffen, er wird über eine halbe Stunde sein, es wird eine Zeit von 1:47:07 werden – auf 68 Kilometern. Und er wird nicht der einzige sein, der seine Erwartungen übertrifft. Nach 30 Kilometern trennen wir uns, er ist seine letzte Einheit vor dem Rennen gefahren, ich hänge noch 70 dran, ich will ja morgen nur anwesend sein…

Und deswegen beginnt der eigentliche Renntag für mich viel zu früh. Treffen am Hafen um 08:30 Uhr zum Warmfahren. Ich bin heilfroh, heute keine Topleistung bringen zu müssen. Wobei, wenn ich das müsste, wäre ich gestern nicht diese 100 Kilometer mit Intervallen an Steigungen gefahren. Das ist knapp 12 Stunden her, insofern sollten sich die Rennteilnehmer besser fühlen. Das wünsche ich ihnen jedenfalls. Ich häng mich an die Gruppe zum Warmfahren, locker werden, nochmal Puls hochtreiben. Mit dem Wissen, dass die Sache nach dem Warmfahren für mich erledigt ist, kann ich sogar mithalten.

 

 

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Warm fahren: Vor dem Rennen schon mal den Puls hoch treiben

Nach dem Warmfahren kommt das Teamfoto. Das erste vor dem Stand von 'Isaac Cycles'. Der Stand, der in den letzten Jahren immer unter der Obhut von Peter stand. Muss ein eigenartiges Gefühl sein, erstmals bei "Rund um Köln" standlos zu sein, aber so können er und Inge, wie er sagt, sich erstmals auch ein wenig an den anderen Ständen umsehen, und sie haben etwas länger Zeit, mit Kunden zu sprechen und Kontakte zu pflegen. Das zweite Foto folgt obligatorisch auf der Start- und Zielgerade. Danach geht es in die Startaufstellung, Peter gibt letzte Tipps, Aufmunterungen, streichelt noch einmal die ein oder andere Seele, aktiviert hier und da letzte Reserven des Selbstvertrauens. Doch mit jeder Sekunde, die in Richtung Start um 11 Uhr verstreicht, nimmt die Machtlosigkeit des Trainers zu. Wenn der Startschuss fällt, hat es jeder selbst in der Hand. In den nächsten zwei Stunden wird Peter vor seinem geistigen Auge nachzuvollziehen versuchen, wo sich jeder vom Team gerade befindet "Es ist ein permanentes Auf-die-Uhr-schauen. Gefährliche Situationen im Kopfkino bewältigen; Stärken und Schwächen der jeweiligen Teilnehmer werden in Rennsituationen gepackt und ich hoffe, dass sie alles richtig machen. Verdammt bin ich jedes Mal nervös! Vielleicht sollte ich lieber mitfahren, das ist weniger anstrengend!"

Alle kommen heil durch

Radrennen Rund um Köln
Rund um Köln: Start der Profis

Da ist es gut, dass er und Inge Ablenkung haben in Form einer Einladung ins V.I.P.-Zelt haben. Da lässt sich die Anspannung möglicherweise angenehmer bewältigen. Auch ich bin der Meinung, dass nach der Anstrengung gestern und dem Warmfahren gerade eben elf Uhr nicht zu früh ist, um eine große Portion Pommes zu essen. Schließlich macht sich die Müdigkeit bemerkbar, danke Narkolepsie, ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten, und muss die Segel streichen, als die ersten Teilnehmer die Ziellinie überqueren. Ich bin nicht stolz auf mich, als ich den Heimweg antrete, aber ich bin stolz auf das Team, und erfahre wenigstens via Facebook, dass alle heil ins Ziel gekommen sind. Und jeder einzelne sollte stolz auf sich sein.

Für diese Saison ist das Projekt "Von0auf60" vorbei, aber im Oktober geht es mit der Vorbereitung für 2019 los. Ich werde wieder dabei sein und das Team blogmäßig begleiten. Jetzt heißt es Radputzen, Koffer packen und ab in die Toskana. Zum Radfahren natürlich.