Hektische Vorweihnachtszeit? In der Ruhe liegt die Kraft!
Alle Jahre wieder

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind, genau 18 Tage nachdem Knecht Ruprecht die Rute bei mir abgeliefert hat. Dann noch sieben Tage, und es heißt "Same procedure as last year, Miss Sophie?". Die Antwort kennt wahrscheinlich jeder. Und an einem Tag irgendwann zwischen all diesen und anderen Festivitäten, fährt Sir Toby mit "Von 0 auf 60" mit dem Rad auf Weihnachtsausfahrt. Mit anschließendem Essen im Krewelshof. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sich das Jahr dem Ende neigt, und die Mitte des Wintertrainings erreicht ist. Während die Erstteilnehmer und Wiedereinsteiger beginnen, einen Leistungsanstieg zu erkennen, müssen die meisten anderen feststellen, dass die Formkurve abfällt. Normal, absehbar und gewollt. Die Tage werden kürzer, das Tageslicht weniger, die Leistungsfähigkeit nimmt ab. Aber es geht ja nicht darum, Heiligabend in Topform zu sein, sondern darum, das Fundament zu pflegen.
Wieder keine Regenausfahrt

Krewelshof bedeutet auch, das langsam vertraute, flache Terrain im Kölner Westen zu verlassen, und zu schauen, was auf der anderen Seite des Rheins außerhalb der Kölner Stadtgrenzen so ist. Zum Beispiel das Bergische Land. Also Höhenmeter. Anhebungen, Steigungen, Hügel, Berge, wie auch immer man es nennen will. Hängt von den Maßstäben ab. Krewelshof bedeutet auch, sich gewahr zu werden, welche unglaublichen Opfer man für den Radsport bringt. 7:00 Uhr aufstehen. Das ist wie Arbeiten gehen. 8:00 Uhr losfahren. Das ist vor Sonnenaufgang. Erstmal einfach so 25 Kilometer Fahrrad fahren, um dann Fahrrad zu fahren. Bei Unwetterwarnung. Ich gebe zu, das erschließt sich mir auch nicht ganz. Aber ich bin nicht der Einzige, der diesen Quatsch macht, und "Von 0 auf 60" nicht das einzige Team.
Manche kneifen, ein paar sind krank, aber trotzdem stehen knapp 20 Leute um 9.30 Uhr zur Abfahrt bereit. Respekt. Und wir werden belohnt, Petrus mag Radfahrer. Oder sagen wir, er bringt ihnen nicht nur Antipathie entgegen. Das Wetter ist nicht gut, aber besser als vorhergesagt. Trainer Peter Zaun konstatiert mit leichtem Bedauern: "Wird wieder nicht die erste Regenausfahrt." Auch das mag eine Frage des Maßstabes sein. Für manch einen sind nasse Straßen und ein paar Minuten Regen eine Regenausfahrt. Für andere wie Peter ist eine Regenausfahrt ein Ausfahrt, bei der es durchgehend regnet, und zwar Katzen und Hunde. Passiert heut nicht. Klar, angenehm ist anders, richtig unangenehm aber auch. Viele Worte, wenig Sinn, für Dezember in Deutschland nicht die allerschlechtesten Bedingungen.
Kompakter Vorgeschmack

Und ab geht es auf die Straße. Zwei Gruppen, wie gehabt. Ich am Ende der Espressos, weil Peter als Guide bei der Cappuchino-Gruppe einspringen muss. Und es gibt eine Reihe Herausforderungen zu meistern Erst mal einen knappen Kilometer Slalom, da vom Sturm der letzten Tage abgerissene Zweige und Äste den Radweg pflastern. Und auch wenn es größtenteils von oben her trockenbleibt, von unten rum ist es nass – und dreckig: In den Abfahrten herrscht Rutschgefahr. Nach Slalom geht es erst mal richtig schön bergauf, dann über ein langes welliges Stück. Diese Wellen sind aber so, wie man bisher im flachen Westen Hügel erlebt hat – sie ziehen sich. Die Strecke ist im Grunde ein kompakter Ausblick auf das, was in den verbleibenden Monaten bis Ostern auf das Team zukommt. Ein munteres auf und ab, noch nicht mit den extremen, langen Steigungen, aber mehr als ein Vorgeschmack. Und es zeigt den "Neuen" und Wiedereinsteigern, was schon möglich ist, wenn man es bedächtig und gelassen angeht. Und das ist eben Peters Spezialität – er fährt mit der Gruppe lässig eine Strecke von 50 beziehungsweise 60 Kilometern, mit 750 bis 800 Höhenmetern, und es fühlt sich auch für den, der eine solche Strecke das erste Mal auf dem Rennrad bewältigt, völlig normal an. Gut, vielleicht etwas anstrengender als sonst, aber ganz klar mit dem Fokus: In der Ruhe liegt die Kraft. So wie es mir mein Vater seit 43 Jahren geduldig predigt. Und er hat recht.
Und dann: Essen

Bei der Ankunft am Krewelshof schließlich – so ging es mir beim ersten Mal im Bergischen – schaut man auf die absolvierte Strecke und die absolvierten Höhenmetern und denkt: Wow, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich Zweifel gehabt, ab ich das so hinkriege. Ein schönes kleines Weihnachtswichtelgeschenk für das Ego am zweiten Advent.
Danach scheint die Welt etwas ruhiger, man selbst gelassener. Das leckere Essen im Krewelshof, sei es Gänsekeule, Gemüsepfanne oder die Schwarzwälder Kirschtorte – man hat es sich verdient. Die vorweihnachtliche Hektik, die einem manchmal vorkommen mag, als wäre man ein Kollateralschaden auf dem Schlachtfeld der gigantischen Festgeschäftsmaschinerie, weicht der Befriedigung über die eigene Leistung. Ein gelungener Abschluss der ersten Projekthälfte. Was auch immer in der zweiten wartet, man kann es gelassen auf sich zu rollen lassen.
Kuchen der Woche: Schwarzwälder Kirschtote
