Wenn eins zum andern kommt
Theoretisch kein Problem
Irgendwie regnet es 2019 dauernd, jedenfalls wenn ich Radfahren will. Die vierte Ausfahrt für mich in diesem Jahr, und schon wieder ist es von oben nass. Oder immer noch? Und es wird auch gar nicht richtig hell. Aber es gilt wie immer: Es könnte schlimmer sein.

Der böige Wind hat sich etwas beruhigt. Und man es sich natürlich immer noch schön reden. So ein Wetter wie heute trennt die Harten von den Zarten. Für die Harten gibt es kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung, und ich habe gute Kleidung. Theoretisch jedenfalls. In der Praxis habe ich die etwas wärmeren Schuhe nach der gestrigen Fahrt durch den Regen nicht zum Trocknen auf die Heizung gestellt. Eigentlich kein Problem, ich habe noch Ersatzschuhe, nur sind die eigentlich für den Sommer – aber mit Überschuhen wird es gehen. Dann allerdings stellt sich beim Losfahren heraus, dass irgendwas mit der linken Schuhplatte nicht stimmt, sie scheint leicht verbogen zu sein. Jedenfalls braucht es äußerste Präzision beim Einklicken oder rohe Gewalt aus dem Oberschenkel, damit der Schuh einrastet. Das ist doof, gerade weil links mein Standbein ist. Aber auch damit kann man umgehen. Außerdem sind an meinem Crosser "Hybrid"-Pedale, notfalls kann ich die "Normalschuhseite" benutzen.
Hauptsache Fahren
Es regnet nicht doll, es ist dieser kontinuierliche, leicht fisselige, alles durchdringende Regen, der einen auf Dauer zermürbt. Und der Wind hat nur in meiner App nachgelassen. Aber ich bin auf der Straße, auf dem Weg zum Treffpunkt, und nur das zählt. Hat man den Schritt geschafft, ist der schwerste getan, egal, was auf der Strecke auf einen lauert. Und den haben noch 28 andere geschafft, Trainer Peter Zaun kann einmal stolz auf sein Team sein. Es herrscht ja kein Zwang, alle sind freiwillig hier.

Die Gruppe macht sich auf den Weg, durch Müngersdorf in Richtung Gleuel, und rollt richtig gut, obwohl der Wind von vorne kommt, kompakte Zweierreihe und keiner lamentiert am Wetter, das sicherlich an den Nerven eines jeden zerrt. An meinen zerrt zusätzlich das Schuhproblem. Nach fünf Kilometern sind meine Füße nass, der Schuh rastet nur bei jedem zweiten bis dritten Versuch ein, und nach zehn Kilometern beginnt meine Schaltung rumzuzicken. Sie schaltet nur noch sporadisch in höhere Gänge. Aber immerhin geht die Tour über meine bevorzugten Straßen im westlich von Köln gelegenen Trainingsgebiet. 80 Kilometer über Gleuel, Berrenrath, Habbelrath nach Horrem. Keine großen Herausforderungen. Die bislang längste Tour im Wintertraining legt den Fokus noch einmal auf die Grundlagenausdauer, mit ein paar Ortsschildsprints, bevor es ab nächste Woche regelmäßig ins Bergische Land geht, wo das Training intensiver und die Strecken wieder etwas kürzer werden. Die Ortsschildsprints finden ohne mich statt, ist ein bisschen blöd, wenn man nicht so schalten kann, wie man will. Aber Hauptsache fahren.
Stück für Stück zermürbt

Von Horrem aus geht es nach Königsdorf, meine Füße spüre ich kaum noch, aber ich hab Spaß. Noch. Denn während der leicht welligen Strecke nach Königsdorf funktioniert das mit dem Runterschalten auch nicht mehr so gut. Ziehen am Zug hilft ab und an, ist aber nicht gerade das, was man exakt nennt. In Königsdorf hab ich es geschafft über den Zug in den höchsten Gang zu schalten, dafür tut sich aber nun überhaupt nichts mehr. Es ist der Punkt erreicht, an dem ich zermürbt bin. Den kenne ich ziemlich gut, und ich weiß eigentlich auch, wie ich mit ihm umgehen muss, aber es ist gerade etwas mehr als die Hälfte vorüber, und ich stecke im schwersten Gang fest. Fluch und Segen einer Gangschaltung mit Single-Chainring: Kein kleines Kettenblatt. Nun gut, markieren wir noch einmal den harten Mann: 42 Zähne ist fast ein kleines Kettenblatt.
Anders geplant
Aber wie hart kann man sein, wie hart muss man sein, wie hart will man sein? Auf diese drei Fragen gibt es eine Kombination von Antworten. Man muss sie nur akzeptieren, das zählt wohl zur Härte dazu. Man kann mit ausschließlich dem schwersten Gang diese Tour durch den Kölner Westen absolvieren, wenn man muss, und dann will man auch. Aber bei einer Trainingsausfahrt, genau zur Mitte des Wintertrainings bei fünf Grad und Regen muss man nicht. Und sollte man auch nicht – Gelegenheiten werden sich noch ausreichend bieten. Die Bedingungen sind das eine, aber wenn das Arbeitsgerät in einen Warnstreik (für mehr Pflege, weniger Dreck und neue Züge, wie mir scheint) tritt, sollte man es gut sein lassen. Trotzdem bin ich sauer. Das war anders geplant.

Nachdem ziemlich viel schief gelaufen ist, gestaltet sich die Heimfahrt äußerst einfach und angenehm. Ich hab oft Rückenwind und von Königsdorf geht es viel bergab. Die Steigung nach Königsdorf rein geht mit Wiegetritt und purer Kraft, dann alles easy, gezwungenermaßen ziemlich schnell. Und auch der Regen hat aufgehört. Die anderen erklimmen unter anderem noch die Glessener Höhe, und ich bin einigermaßen froh, dass ich das nicht im schwersten Gang bewältigen musste. Doch auch die Gruppe kürzt ab, wie ich hinterher erfahre. 65 statt 80 Kilometer. Als ich nach Hause komme, stehen 62 Kilometer auf meinem Tacho. Alles in allem hart genug. Alle.