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Tobis Radblog: Wintertraining "Von 0 auf 60" Saison 2018/19 - Singing In The Rain - Start ins Bergische

Tougher Than The Rest

Und das geht jetzt fünf Stunden so weiter?

Rennrad Wintertraining
Trainer Peter Zaun und Guide Jürgen K. im Gespräch: Schon vorm Start nass

Ich habe keine Ahnung, wie es den anderen im Team geht, aber der Mangel an Sonnenlicht schlägt mir langsam ein wenig auf das Gemüt. Gepaart mit traurigen Country-Songs macht es das Aufstehen insgesamt nicht besser, aber es ist nun mal die Musik, nach der mir der Sinn steht. Könnte da ein Zusammenhang bestehen?

Wie auch immer, um 8.15 Uhr sitze ich auf dem Rad in Richtung Treffpunkt Bensberg. 20 Kilometer, dann 65 Kilometer Tour mit der Gruppe, 20 Kilometer nach Hause. Es regnet ununterbrochen, und es ist ziemlich windig. Nach 200 Metern denke ich: Und das geht jetzt fünf Stunden so weiter? Eigentlich ist das Fragezeichen fehl am Platz. Das geht jetzt über 100 Kilometer und fünf Stunden so weiter.

Haben sich letzte Woche noch 29 Leute zusammengefunden, so sind es heute nur 14. Ich bin schon von der Fahrt zum Treffpunkt völlig durchnässt. Für die erste richtige Tour durch das Bergische Land könnte es bessere Voraussetzungen geben. Gesprochen wird nicht viel, außer vielleicht über Kleidung. Und es spricht Bände, dass einige sogar Ersatzhandschuhe dabei haben. 14 wettergeplagte Seelen machen sich schließlich auf den Weg. Niemand, mit dem ich spreche, berstet vor Lust auseinander. Im Grunde weiß niemand so genau, warum er gerade das tut, was er tut. Stumme Verzweiflung, schicksalsergeben, apathisch, reine Pflichterfüllung. 

Rational wohl nicht zu erklären

Rennrad Wintertraining
Fahren? Echt jetzt?

So ist Wintertraining. Man weiß im Oktober, dass diese Tage kommen werden. Es wäre komisch, wenn nicht. Man verdrängt es nur, bis es wirklich so weit ist. Und dann steht man da im  Sturm und fragt: Wie, echt jetzt? Wäre man nicht aufgestanden, hätte man nicht sorgsam die Klamotten angezogen und alles vorbereitet, nichts hätte einem den Weg zurück ins Bett versperrt. Aber wenn man schon mal so weit gekommen ist – heute auf der Straße und im Training insgesamt? "Weiter, immer weiter", wie eine ehemaliger Torwart zu sagen pflegte. Und ich weiß nicht, wie es passiert, oder wie es möglich ist, vielleicht ist es die Macht des Vertrauten, das Wissen, dass man das Radfahren eigentlich liebt, und das auch gerade in diesem Momente ganz stark spürt. Jetzt, da diese Liebe von Wind, Regen und Kälte auf die Probe gestellt wird. Vielleicht kann man es auch rational nicht erklären und höchstwahrscheinlich muss man dabei gewesen sein, um es nachzuvollziehen, aber selbst dann bleibt es mystisch – die Stimmung steigt mit jedem Kilometer merklich an. Anfangs sind es nur ein paar bestätigende Floskeln unter den Teammitgliedern: "Toll, dass Du gekommen bist". Dann folgen Mut machende Worte: "Komm jetzt, scheiß auf den Regen, den Wind, wir reißen das jetzt". Dann ernten wir spontanen Applaus von uns völlig unbekannten Passanten auf der Straße: "Find ich super, dass ihr das durchzieht." Man fühlt sich immer noch nass, aber irgendwie gut, es läuft. Und schließlich… ein Defekt. Schlauch wechseln im strömenden Regen, der Rest zum Warten verdammt, im strömenden Regen. Einige kauern sich unter ein Vordach, einige fahren Kreise, in einem kleinen Dorf im Bergischen, von dem man noch nie gehört hat. Das man wahrscheinlich nie wieder durchfahren wird, und verfluchen und dann vergessen würde, wenn dieser Tag nicht so würde, wie er sich nun zu entwickeln beginnt. Doch die Stimmung kippt nicht, sie bleibt und wird immer besser. Ist es der Rausch der Verzweiflung, der sich ausbreitet, wenn von außen der Regen und der Wind auf einen einprügeln und im Inneren die Fettverbrennung wütet? 

And the rain will wash us clean

Rennrad Wintertraining
Wenigstens bleibt das Rad halbwegs sauber

Ein paar Teammitglieder schreien es raus, sie singen. "Singing in the rain" und viele weitere Songs, in denen es um Regen geht. Wusste nicht, dass es so viele gibt. Ich hätte auch einen beizusteuern, den leider keiner kennt, der aber gut passt, abgesehen von der Ortsangabe: "They were an Outlaw Band from Oklahoma rolling through the storm like a roaring thunder – and the rain will wash us clean". Genauso jagen wir durch den Sturm, die Regenrinnsale an den Straßenrändern, die von Schlaglöchern übersäten Straßen der Wahner Heide die paar kleinen Hügel hoch und die Abfahrten runter als wäre es das normalste, was man an so einem Sonntag im Januar machen könnte. Ist es ja irgendwie auch. Mittlerweile nach vier Stunden, als Inge, die wegen Erkältung nicht mitfahren konnte, uns in Bensberg mit heißem Tee empfängt. Eine reife Leistung. Aber jetzt nach 85 Kilometern durchnässt in die Bahn? Nein. Mirja, Linda und ich knacken die 100-Kilometer-Marke. Wenn sich an einem solchen Tag die Gelegenheit bietet, dann greift man zu. Im Grunde ein Riesenspaß, nur manchmal ist auch schön, wenn der Spaß vorbei ist. Nächste Woche gibt es ja neuen.