Eis, Kaffee, Hähnchen – und alles wird gut
Ein paar letzte Herausforderungen
Die Hälfte des Trainingslagers ist rum, aber die beiden härtesten Brocken liegen noch vor uns. Für diejenigen, die schon öfter dabei waren, sind es alte Bekannte, denen man allerdings noch immer mit Respekt begegnet. Am Donnerstag geht auf die Runde „Eisberge Lindlar“, am Freitag folgt die „Hähnchen-Tour“, beide benannt nach den kulinarischen Höhepunkten, die auf den Strecken anstehen. Wohl um die Teilnehmer ein wenig zu beruhigen. Es sind die Touren mit den meisten Höhenmetern und die längsten. Der Donnerstag ist allerdings eher sanft hart, es kommt so stückchenweise auf einen zu, Steigungen im einstelligen Prozentbereich, dafür länger, man kann leichter seinen Rhythmus finden.
Sanft hinein

Steigungen, bei denen man nach dem gestrigen Tag denkt: Ach ja, okay. Und so schrauben wir uns ganz gemächlich in die Höhe nach Eikamp, recht rasant wieder hinab nach Odenthal, und dann wieder langsam am Altenberger Dom vorbei hinauf nach Limringhausen. Dann geht es leicht wellig, aber insgesamt zum Teil kaum merklich weiter aufwärts nach Dabringhausen. Dort könnte man der Straße theoretisch weiter folgen, um ohne größere Anstrengungen und Umwege nach Stumpf (SIC) zu gelangen. Aber Trainingslager heißt, dass man Zeit hat. Und diese Zeit verbringt man nach Ansicht des Trainers mit größeren Anstrengungen auf Umwegen. Auf einen solchen geht es, wenn kurz nach dem Ortseingang Dabringhausen rechts fährt. Würde man von sich aus nie drauf kommen. Aber Trainer Peter Zaun wohnt nun mal am Tor zum Bergischen. Und ich vermute, er hat sich außerdem kundig gemacht. Wenn es irgendwo zusätzliche Höhenmeter gibt, Peter hat die Geduld, sie alle zu finden. Diese hier führen über eine ruhige Straße vorbei am Ketzberg hinauf über Dörfer wie Engerfeld, die eigentlich nur aus einer Straße mit circa fünf bis neun Häusern bestehen nach Stumpf und zurück auf die Landstraße.
Gibt's hier irgendwo noch Höhenmeter?
Jürgen K. meint noch zu mir: Das macht der Peter nur wegen der zusätzlichen Höhenmeter, ich entgegne: Nein, das macht er nur, weil es schöner ist als auf der Hauptstraße zu fahren. Ich glaube, Jürgen hat Recht, rede mir aber ein, dass es hier um die malerische Landschaft geht. Die Gruppe zieht sich auseinander, es macht im Grunde alles einen entspannten Eindruck, ob das jeder einzelne jetzt auch bestätigen würde, sei dahingestellt. Aber es läuft, und es scheint allen recht gut zu gehen. Es geht weiter nach Habenichts und Dreibäumen, wo mehr als drei Bäume stehen, und man nicht mehr nachvollziehen kann, welche drei Bäume für die Namensgebung verantwortlich waren. Vielleicht konnten sie aber auch nicht zählen. In Scheideweg biegen wir dann rechts ab – wie passend. Kurz später erteilt Peter freie Fahrt, weil man sich nicht verfahren, sondern nur einer Straße folgen kann. Es geht zunächst rasant bergab, dann hinauf nach Boxberg, im Grunde eine Welle, keine perfekte jedoch, sondern eine lange und hohe, die man nicht durchdrücken kann, dann geht’s wieder hinab und wieder hinauf, diesmal auch wieder im zweistelligen Bereich – aber nur einmal und ausnahmsweise, wie Peter versichert.
Immer wieder Ommerborn

Dieses Straßennetz, das das Bergische Land durchzieht ist faszinierend, Schwuppdiwupp über ein paar Hügel und schon steht man wieder am Freiluftaltar Ommerborn. Die geliebten drei Kreuze. Die dürfen wir auch machen, denn es ist der höchste Punkt der Tour, jetzt schnell wieder runter und kurz rauf und wir sind in Lindlar, und da gibt es Eis bzw. Kuchen. Und das stellt alle auf eine unerwartet harte Probe, vor allem die Bedienung. Sie muss die Wünsche von zehn hungrigen Radler*innen erfüllen, worauf die Lokalität offensichtlich nicht vorbereitet wird. Die erste Bestellung, das „Bananenboot“ scheitert am Mangel an Bananen. Das „Früchtekarussell“ hingegen geht, wohl weil es dafür keine Bananen braucht – oder sie einfach weggelassen werden. Egal, es ist jedenfalls genug Obst da. Die nächste Bestellung „Kirschkuchen“ – kein Problem. Der Nächste. „Kirschkuchen“ – leider ist nur noch ein Stück da. Dann „Pflaumenkuchen“. Auch hierbei handelt es sich um ein Einzelstück, weswegen die nächste Bestellung „auch Pflaumenkuchen“ zum Scheitern verurteilt ist. Na gut, also „Apfelstrudel“, kein Problem. Das wiederum löst eine neue Kettenreaktion aus. Die Damen, die ursprünglich Kirsche und Pflaume wollte, möchten nun auch lieber Apfel. Dadurch stehen Pflaume und Kirsche wieder zur Auswahl. Wir haben jedoch den Überblick behalten – es kommt zu keiner weiteren Bestellung, die Versorgungsprobleme verursacht. Auch die Bedienung behält trotz unserer Entscheidungsfreudigkeit den Überblick. Ich möchte ihren Job gerade nicht haben.
Frisch gestärkt geht es auf das letzte Drittel der Fahrt, von Lindlar übern Klespe, ein letztes Mal hinauf nach Bärbroich. So long fürs erste. Am Ende stehen für mich 132 km und 1.500 Höhenmeter.
Königsetappe mit Hähnchen
Freitag. Treffpunkt: Hähnchen-Ewald. Auf zur Königsetappe. Aber irgendwas ist immer. Letztes Jahr verschob sich die Abfahrt, weil ein Teilnehmer zum falschen Treffpunkt gefahren ist. Dieses Jahr hat ausgerechnet Trainer Peter seinen Helm vergessen. Und: Auch wenn in Deutschland keine Helmpflicht für Radfahrer besteht, auch wenn einige meinen, sie bräuchten als Rennradfahrer keinen Helm, weil sie einen Organspendenausweis besitzen und Eddy Merckx ja schließlich auch ohne Helm gefahren ist, auch wenn wir alle nicht viel von der GNTM-Kampagne des Verkehrsministers halten: Wir fahren nicht ohne Helm. Peter erreicht schließlich Inge, die den Helm schnell vorbeibringen will. Wie letztes Jahr ist also Warten angesagt. Vor nicht ganz einem Jahr auf dieser Etappe war es bereits so heiß, dass wir im Schatten sitzen mussten, dieses Jahr frieren wir uns fast den Hintern ab. So ist der April. Und unabhängig vom April ist Inge sauschnell und wir können los.

Unter dem Diktat der Kälte
Vom ersten Tritt an stehen wir unter dem Diktat der Kälte. Was immer wir auch tun werden, nichts wird uns ihrer Herrschaft entreißen können. Am siebten Tag des Trainingslagers sind alle von den Tagen zuvor gezeichnet, und es hat sich schon heftig abgekühlt. Man sollte nicht von einem Kälteeinbruch sprechen, man will aber schon. Einfach nur schlechtes Wetter? Ich weiß nicht. Es ist mein sechstes Trainingslager, im ersten Jahr fiel die Tour aus, in den Jahren danach sind wir sie nie ganz gefahren, und so sieht es auch heute aus. Vielleicht die Bilderberger? Chemtrails? Isis? Merkel? Die hat ja an allem Schuld. Womöglich ist es aber auch dieser mysteriöse Petrus.
Die Tour hat es vom Profil her in sich, es geht auf und ab, es gibt kaum ein ebenes Stück, es ist schwer seinen Rhythmus zu finden. Die Bedingungen machen es nicht gerade leichter. Auf den kürzeren und bisweilen knackigen Anstiegen wird einem nicht richtig warm, auf den Abfahrten kühlt man weiter aus. Beim traditionellen Gruppenfoto in Anschlag ist fast schon klar: Auch dieses Jahr kürzen wir ab. Es liegt zum einen an den Kilometern der letzten Tage, es ist aber auch eine Kopfsache. Manch einer fühlt sich der gesamten Tour möglicherweise nicht gewachsen. Die, die sich sicher sind, die Strecke bewältigen zu können, sind sich keineswegs sicher, ob sie das auch möchten. Und dann fliegt da noch so was weißes, flockenartiges durch die Luft. Schnee? Schnee. Die Aussicht auf ein leckeres Hähnchen von Hähnchen-Ewald um 18.00 ist eine Aussicht, die um 13.00 Uhr noch viel zu entfernt ist.
Abkürzung
Peter beschließt, einen Zwischenstopp einzulegen, nach 60 Kilometern in Lindlar. Da befindet sich eine unter Radfahrern geschätzte Kamps-Bäckerei, in die man sich reinsetzen kann, um bei Kaffee und Kuchen den Körper warm und die Gedanken klar zu kriegen. Bei diversen Leckereien und Heißgetränken wird die Abkürzung klar gemacht. Es geht von Lindlar direkten Weges durch das Tal ohne viele Höhenmeter zurück zum Hähnchen-Ewald und damit zum Abendessen. Am Ende sind es doch 85 Kilometer geworden, es gibt keinen Grund, traurig oder enttäuscht zu sein. Es sollte nicht sein, jeder hat sich tapfer geschlagen, das steht einwandfrei fest.
Und das Hähnchen bei Hähnchen-Ewald? Wie erwartet gut. Es rundet den harten Tag ab. Alle fahren erschöpft und satt heim – und glücklich, weil sie die Strecke geschafft haben und weil Morgen nur 40 km Kompensation auf dem Programm stehen.
Noch zwei Tage

Die Runde ist bekannt vom Samstag zu vor und vom Dienstag. Die Kälte hat sich anscheinend festgesetzt, aber es ist kein Vergleich zum Tag davor. Außerdem verbreitet die Zufriedenheit über das bereits geschaffte möglicherweise ein kleines bisschen innere Wärme. Falls nicht, so gibt es nach der Runde heißen Tee und lecker Süßes. Inge lässt es sich nicht nehmen uns bei der Rückkehr in Empfang zu nehmen, und hat vorm Kofferraum ihres Autos ein leckeres kleines Buffet aufgebaut. Ein kleines abschließendes Schulterklopfen im Kreise der Teilnehmer. Zwar folgt am Sonntag noch eine Tour, allerdings im großen Kreis des Von-0-auf-60-Wintertrainings.
Es wird die letzte Ausfahrt des Wintertrainings, danach folgt lediglich das traditionelle Testrennen zum Abschluss. Am Ostermontag, gewissermaßen symbolisch, seit das Rennen „Rund um Köln“ nicht mehr an diesem Tag stattfindet, sondern Anfang Juni.
Es wird ein gemütlicher und gelungener Projektabschluss. Auf dem Programm steht die „Bergische Acht“, sogenannt, weil er in Form einer Acht durchs Bergische geht. Wir fahren zunächst den oberen Kreis kreuzen den Treffpunkt, malen den unteren Kreis und kommen an, wo wir losgefahren sind. In der Mitte. Und dort gibt es für das Loch, das unterwegs in der Mitte, so in der Bauchgegend, entstanden ist leckeren Kuchen von Inge.
Und nächstes Jahr wieder

Die härtere Hälfte der Tour ist die erste, beziehungsweise die obere oder die nördliche, wie man will. Sie führt über die Schlüsselstellen von Rund um Köln, den Trostwald, die Wellen von Bechen, den Sander Berg und den Schlossberg. Da könnte ich jetzt auch einiges zu schreiben, vor allem, weil mir auch einiges dazu einfällt. Allerdings ist dieser Text eh schon zu lang. Außerdem folgt nach dem Wintertraining die Vorbereitung für das Rennen von Rund um Köln. Da geht es da noch ein-, zweimal lang. Es kommt also noch ausreichend Gelegenheit.
Und somit bleibt mir am Ende nur der Dank.
An Peter für das Trainingslager, es war wie immer super.
An Inge für das ganze drum herum, und dass sie uns sogar an ihrem Geburtstag ausgehalten hat
An das Team – Barbara, Mirja, Gudrun, Silke, Christopher, Markus, Jürgen K., Jürgen Z., Rudi, Peter und Inge.
Ich freu mich auf nächstes Jahr.