Der Slogan "1st never follows" von Adidas ist ziemlich dämlich, zumindest in dem Zusammenhang, in dem er steht – Sport und Wettkampf. Natürlich folgt der erste niemandem, der zweite und der dritte aber ebenso wenig, denn sie sind alle Getriebene. Was treibt sie? Geld, Ehrgeiz, Stolz, Wut, Sucht, Leere, Druck? Zweitrangig.
Ich kann nicht einmal so genau sagen, was mich antreibt. Meine Krankheit? Meine Auseinandersetzung mit ihr? Meine Flucht vor ihr? Möglicherweise will ich Grenzen austesten und verschieben. Denn die Narkolepsie zeigt mir täglich (stündlich? – jedenfalls unerfreulich regelmäßig) meine Grenzen auf. Im Beruf, im sozialen Umfeld – im Grunde überall. Früher gab es da keine Grenzen, alles schien möglich. Alle Türen standen offen. Heute muss ich erst mal schauen, ob hinter einer möglicherweise einen Spalt breit geöffneten Tür ein Platz zum Schlafen für den Notfall da ist.
Deshalb glaube ich, dieses mittlerweile fast obsessive Radfahren dient vor allem dazu, diese mir vom Schicksal auferlegten Grenzen auszuloten und für einen Moment der absoluten Freiheit zu durchbrechen, um sie niemals als gesetzt akzeptieren zu müssen.
Jeder, der unter einer chronischen Krankheit leidet, denkt ab und an mal darüber nach, was wäre, wenn er diese Krankheit nicht hätte. Vor allem, wenn es eine Zeit gab, in der man noch gesund war.
Wie wäre es auf der Arbeit? Wie wäre mein Studium gelaufen? Wie meine Beziehungen? Wie leistungsfähig wäre ich? Gerade in eine Zeit und einer Gesellschaft, die kompromisslos auf Leistung fokussieren, in denen sich die meisten Menschen über ihre Arbeit (und Leistung) definieren. Eine Zeit und Gesellschaft, in denen Beeinträchtigungen, Behinderungen, Mängel keinen Platz zu haben scheinen?
Dies soll kein gesellschaftspolitisches Manifest werden, deswegen muss an dieser Stelle diese allgemeine, profane Antwort ausreichen: Es wäre anders. Besser? Das kommt wohl auf die Krankheit und den Umgang des Betroffenen mit ihr an. Ich weiß nicht einmal, ob es in meinem Fall besser wäre.
Ich ertappe mich oft bei dem Gedanken, wie das Radfahren wäre, wenn ich keine Narkolepsie hätte. Das allerdings ist ziemlich müßig, denn ich würde wahrscheinlich nicht so viel fahren.
Zwar bin ich als Jugendlicher schon viel Rad gefahren, nicht nur von A nach B, sonder einfach so, um des Fahrens Willen. Aber erst nach der Diagnose fing ich wieder an, mehr zu fahren. Wohl als eine Art Therapie – und ich merkte schnell, dass ich auf dem Rad weniger einschlafgefährdet war.
Fahre ich also nur so viel und so leidenschaftlich Rad, WEIL ich Narkolepsie habe? Gut möglich. Ich bin nicht in der Lage, beides voneinander losgelöst zu betrachten. Auch für gesunde Menschen ist Radfahren etwas, womit man seine Grenzen ausloten, durchbrechen und verschieben kann – noch mehr also für jemanden, der dazu tendiert, häufig und schnell einzuschlafen, ganz egal, was er gerade macht. Nur verschiebt sich die Zielsetzung. Es geht mir nicht darum, möglichst schnell zu fahren, auch nicht darum schneller als andere. Es geht mir in erster Linie darum, möglichst lange zu fahren – ohne einzuschlafen. Das aber wiederum möglichst schnell…
Ich kann es akzeptieren, zwischendurch kurz eine Pause zu machen, wenn ich merke, dass ich mich gegen den Schlaf nicht mehr wehren kann, weil es – gemessen an meinem normalen Alltag – extrem selten passiert. Klar, es gibt schlechte Tage, doch viel mehr gute. Die machen Mut, und lassen die schlechten weniger schlimm erscheinen. Rückschläge gehören dazu.
Dass mich der Schlaf auf dem Rad übermannt, geschieht höchstens einmal auf 20 langen Touren.
Und es ist schön und befriedigend zu sehen und zu merken und zu wissen, dass der Schlaf und die Müdigkeit echte Schwierigkeiten haben, mich auf dem Rad zu schlagen. Und ich habe vor, diese Bilanz weiter zu meinen Gunsten auszubauen.
Mein Name ist Tobias Elsaesser, ich wurde am 21. Juni 1975 in Hildesheim geboren. Seit 1995 lebe ich in Köln. Eigentlich zum Studieren, dann aber jobbte ich nebenbei bei RTL und RTL Interactive und bekam dort einen Job als Online Redakteur bei den News. Im Jahr 2000 wurde bei mir schließlich Narkolepsie diagnostiziert, die ersten Symptome zeigten sich bereits 1992. Die Krankheit brach wohl in Folge einer heftigen Windpocken-Erkrankung (Frühjahr 1991) aus. Kurz nach der Diagnose fing ich wieder an, mehr Rad zu fahren. Irgendwie als Ausgleich zu der ganzen Schlaferei. Aber dann ist es irgendwie außer Kontrolle geraten.
Rahmen
Bianchi Infnito CV 2017
Schaltung
Campagnolo Chorus
Laufräder
Campagnolo Bullet Ultra
Seit August 2018
Rahmen
Drössiger 2011
Schaltung
Shimano Ultegra
Laufräder
Fulcrum Racing 5
Seit Juni 2011
Rahmen
Colnago Dream ca. 2004
Schaltung
Campagnolo Athena
Bremsen
Campagnolo Chorus
Laufräder
Campagnolo Zonda
Seit Oktober 2017 (bis dato ungefahren :-))
Rahmen
Fuji Sportif 1.3 2015
Schaltung
Sram Rival (single chain ring)
Laufräder
Oval 327 CX
Seit Oktober 2016
Rahmen
Stevens Aspin 2004
Schaltung
Campagnolo Athena
Laufräder
Campagnolo Zonda
Seit April 2005
Bis Oktober 2017 (Rahmenbruch)